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Warum Outsourcing scheitert und wie es trotzdem gelingt (Teil 2)

Drei der sechs Gründe, warum Outsourcing scheitert, hast Du letzte Woche kennengelernt:

  1. notwendiger Wandel der IT-Organisation wird unterschätzt
  2. fehlende Klarheit über das Ziel und die Anforderungen
  3. keine Einbeziehung der Fachbereiche

Diese Woche habe ich drei weitere Gründe für Dich und natürlich auch meine Sicht darauf:

  1. Vernachlässigung der Kommunikation nach innen und außen
  2. Providerauswahl – der billigste gewinnt
  3. fehlender Reife der eigenen Organisation

Zusammen kannst Du Dir die sechs Gründe auch als Podcast anhören:

Die Shownotes zur Folge findest Du hier

Jetzt geht es los:

4. Vernachlässigung der Kommunikation nach innen und außen

Entscheidet sich das Unternehmen, das eine Standardleistung im Bereich Workplace-Service ausreicht, dann ist alles was danach kommt eine Frage der Kommunikation. Die Nutzer dürfen verstehen, warum sich das Unternehmen dafür entschieden hat und was das für sie bedeutet.

Die Kommunikation beginnt schon vor dieser Entscheidung: Binde alle Betroffenen so früh wie möglich in das Vorhaben mit ein. Definiert gemeinsam die gewünschten Leistungsmerkmale. Sprecht über die Erwartungshaltung und die möglichen Abstriche am Service. Diskutiert dabei vor allem darüber, wie lange es dauern darf bis ein Service Request, also die Umsetzungsdauer zur Erledigung von Anforderungen, erfüllt oder ein Problem gelöst werden soll.

Mit diesem Anforderungskatalog, natürlich ergänzt um die Anforderungen aus der Organisation, gehst Du dann auf Partnersuche. Sofern der künftige Partner nicht schon vor dem Outsourcing feststeht.

Jetzt denkst Du vielleicht: „Robert, das ist hier kein wünsch Dir was!“ Richtig! In einigen Fällen ist es sogar sinnvoll, einen Leistungsumfang im Zuge eines solchen Projektes wieder auf ein normales Maß zurückzufahren.

Dann ist die Kommunikation nach innen aber noch viel wichtiger! Die Nutzer wollen verstehen, warum, wieso, weshalb. An einer guten Kommunikationsstrategie geht nichts vorbei.

 

Gleiches gilt für die Kommunikation mit dem Provider. Redet miteinander. Ihr habt in der Regel das Ziel, drei bis fünf Jahre zusammenzuarbeiten.

Lass mich das auch hier an einem Beispiel verdeutlichen: Stell Dir vor, Du lässt Deinen Internetzugang durch einen Provider betreiben. Es wird früher oder später zu der Situation kommen, dass es Probleme und Ausfälle gibt.

Es wird vielleicht auch dazu kommen, dass der vereinbarte SLA gerissen wird. Aber zum Glück sind ja Pönalen vereinbart.

Pönalen sind im Prinzip eine Vertragsstrafe. Ein im Vorfeld festgelegter Betrag, den der Provider Dir gutschreibt, wenn er einen SLA verletzt hat. Meist reicht die reine Verletzung des SLA nicht aus, es müssen noch mehr Kriterien erfüllt sein.

Häufig ist etwas vereinbart, was ich Freischüsse nenne: Der Provider darf in einem bestimmten Zeitraum den SLA folgenlos eine bestimmte Anzahl verletzten. Also Beispielsweise 2-mal in drei Monaten.

Was meinst Du, klingt gut, oder? Die Sache hat aber einen Haken: Pönalen sind ein Instrument der Anbieter, um das Provider-Risiko zu begrenzen. Es ist die maximale Summe, die Dir als Schadenersatz gezahlt wird.

Unabhängig davon, wie groß der tatsächliche Schaden für Dein Unternehmen war. Nur wenn der Provider fahrlässig handelt, ist er zum Ersatz der realen Kosten verpflichtet.

Du als Kunde hast in meinen Augen nichts von Pönalen! Der Anbieter kalkuliert dieses Risiko in seine Preise ein. Und nimmt, böse ausgedrückt, aus verschiedenen Gründen die eine oder andere SLA-Verletzung bewusst in Kauf.

 

Du fragst Dich was die Alternative dazu ist? Ganz im Sinne des Themas „Kommunikation“, geht es hier um einen gemeinsamen CSI-Prozess. Probleme gemeinsam zu analysieren und dafür zu sorgen, dass sich der Service kontinuierlich verbessert und weiteren Ausfällen vorgebeugt wird.

Die andauernde Verbesserung der Providerleistung ist eine wichtige Aufgabe der Steuerung des Providers. Dazu aber mehr im sechsten Punkt.

Mein geschätzter Kollege Peter Bergmann brachte beim Lesen des Manuskriptes noch eine interessante Idee ins Spiel: Verpflichte Deinen Dienstleister dazu, aktiv bei der Schadensbegrenzung und Schadensbeseitigung mitzuwirken.

Eine interessante Idee! Mehr kann ich dazu noch nicht sagen, das muss ich erstmal durchdenken. Was hältst Du davon? 

 

5. Providerauswahl – der billigste gewinnt

Diesen Willen zur Zusammenarbeit und zur kontinuierlichen Verbesserung darfst Du von Anfang an offensiv vortragen. Das beeinflusst vor allem die Auswahl des Providers.

Der Provider muss es natürlich wollen. Er sollte individuell auf Deine Anforderungen eingehen. Für Dich wird es nur schwer sein, hinter die Kulissen zu schauen, ob er es dann auch tatsächlich leisten wird. Versprechen wird er es Dir.

Ihr solltet von Anfang an eine Prozedur vereinbaren, welche in der Transition und dann im Betrieb auch kurzfristige Veränderungen des Leistungsumfangs zulässt, ohne dass gleich der gesamte Vertrag neu verhandelt werden muss. Stichwort ist hier „Contract Change Request“.

Dein Provider muss es wollen. Er möchte mit Dir in einem gemeinsamen CSI-Prozess besser werden und er möchte Dir ein einfaches Verfahren zu Vertragsänderungen anbieten. Alles das wird sich für Dich natürlich im Preis niederschlagen.

Stangenware kostet (meist) weniger als Maßkonfektion und viel weniger als Maßschneiderei. Wobei die Modebranche zeigt es heute schon: Meist ist der Anzug von der Stange (ich spreche jetzt von guter Qualität) ähnlich teuer wie eine Maßkonfektion. Da lohnt sich das Vergleichen und Sprechen mit Bestandskunden.

6. fehlender Reife der eigenen Organisation

Hast Du es gemerkt?

Ich habe vor allem über Deine Organisation gesprochen. Ich habe darüber gesprochen, was im Vorfeld eines Outsourcing-Projektes notwendig ist. Ich fasse das gern unter dem Begriff „Reifegrad“ der eigenen IT-Organisation zusammen. Diese darf sich im Laufe eines solchen Projektes sehr stark verändern.

Häufig herrscht der Gedanke vor, dass man mit dem Auslagern der IT alle Verantwortung und Sorgen los ist und der Provider sich um alles kümmert. Dem ist nicht so. Die Erfahrung zeigt: wenn die Zusammenarbeit mit dem oder den Providern funktionieren soll, darf der Kunde seine Verantwortung ernst nehmen.

Es ist eine andere Verantwortung: Es ist nicht mehr die Verantwortung, dass die Technik ordentlich läuft. Es ist die Verantwortung, dass die Fachbereiche arbeitsfähig sind und möglichst wenig behindert werden.

Hintergrund ist der notwendige Wandel von einer Betriebs- zu einer Serviceorganisation. Schau Dir mal bitte die IT-Organisation in Deinem Unternehmen an. Was macht die den ganzen Tag?

Die Kollegen halten die IT am Laufen – im wahrsten Sinn des Wortes. Dafür sind sie die Experten. Wenn immer mehr Betriebsaufgaben durch Provider erbracht werden, dann verändern sich die Tätigkeiten in Deiner IT-Abteilung. Also braucht eine Serviceorganisation kaum noch IT-Experten, sondern viel mehr Service-Verantwortliche.

Verantwortung übernehmen heißt in diesem Fall die Pflege und Entwicklung der Beziehung zu den Providern, die Providerauswahl, die Kontrolle der SLAs und Vertragsverhandlungen. Kernkompetenzen die Dein Unternehmen benötigt.

 

Ich halte die Kommunikation mit dem Provider für den Schlüssel zum erfolgreichen Outsourcing. Das Geschäftsmodell, die Prozesse, eigentlich ganze Unternehmen verändern sich ständig. Die Geschwindigkeit ist abhängig von Deiner Branche und dem Marktumfeld. Es ist aber gewiss, dass sich die Anforderungen Deiner Nutzer ändern.

Der Provider ist in der Regel noch unflexibler wie die eigene IT-Abteilung. Er ist an den Vertrag gebunden – da steht seine Kalkulation dahinter. Überspitzt kannst Du auch sagen, dass das Geschäftsmodell des Providers und seinen Interessen konträr zu denen Deines Unternehmens stehen.

Das bedeutet für Dich zwei Dinge:

  1. Die Vertragsbeziehung darf aktiv gepflegt werden.
  2. Mit dem Wandel zur Service-Organisation darf die Organisation die notwendigen Fähigkeiten erwerben

Bevor ich zu Punkt 2 komme, fasse ich die Ausführungen zum ersten Punkt zusammen: Aktive Pflege bedeutet, mit dem Provider auf Augenhöhe zu kommunizieren, ihm offen und ehrlich gegenüber zu treten und frühzeitig über mögliche Veränderungen zu sprechen. So hast Du die Chance, den Vertrag aktiv zu gestalten.

Viele Outsourcing-Deals scheitern, weil der Kunde für einen festgelegten Preis immer mehr und mehr fordert – was der Provider aus kaufmännischer Sicht natürlich nicht erfüllen will und kann. Ursache ist, dass im Vorfeld die Ziele und Anforderungen nicht klar waren.

Zur aktiven Vertragsgestaltung zählt auch die gemeinsame Verbesserung. Also, Du darfst dem Provider sagen was schlecht läuft und was Du anders haben möchtest, aber auch der Provider darf Deiner Organisation mitteilen, wie die Zusammenarbeit besser funktionieren würde. Diese Offenheit ist entscheidend.

 

Lass uns jetzt zum zweiten Punkt – Wandel braucht neue Fähigkeiten – kommen: Die Hauptaufgabe der IT der Zukunft ist die Übersetzung der Anforderungen Deiner Fachbereiche in Anforderungen an einen Service und an den Provider. Stichwort: Business Analyse.

Du merkst, das Thema Business Analyse verfolgt mich und Dich ziemlich hartnäckig. Darin liegt meiner Meinung nach eine große Chance für jedes Unternehmen. Beschäftigst Du Dich mehr mit dem Problem, dem Umfeld und den Auswirkungen möglicher Lösungen, so ist Deinem Unternehmen viel mehr geholfen, als wenn die offensichtliche Lösung schnell umgesetzt wird.

Natürlich sollst Du jetzt nicht ein halbes Jahr mit der Problemanalyse verbringen, aber weglassen ist auch keine Lösung. In Podcastfolge 15 habe ich über die fünf Phasen der strategischen Business Analyse gesprochen. Reinhören lohnt sich! Nachlesen kannst Du es hier.

Eine weitere Fähigkeit, dies es gilt zu erwerben, ist das Denken und Handeln als Serviceprovider. Welche Services braucht Dein Unternehmen? Welche zusätzlichen Anforderungen gibt es an diese Services von Seiten der Compliance, Security, etc. Aus welchen Services von externen und internen Provider kannst Du diese Services zur Verfügung stellen?

Wie kannst Du die Qualität dieser Services messen? Beim genauen Hinsehen, wird sich Deine Organisation zu einem Service-Broker verwandeln: Services extern einkaufen und nach intern zu neuen Services bündeln.

Betriebsaufgaben werden in vielen Fällen nicht ganz aus der IT-Organisation verschwinden. Sie werden weniger. Ich bin der Überzeugung, dass es auch bei Dir Applikationen oder Systeme gibt, die zur Kernkompetenz oder gar einem Alleinstellungsmerkmal Deines Unternehmens beitragen.

Bei denen intern so viel wertvolles Prozesswissen vorhanden ist, dass das gar nicht von extern geleistet werden kann. Dann gibt es auch keinen Grund das durch einen Provider betreiben zu lassen.

Das ist mir ein ganz wichtiger Punkt: Outsourcing bzw. die Nutzung von Cloud-Services ist nicht der heilige Gral.

Planvoll angegangen, richtig umgesetzt und aktiv gesteuert, trägt es dazu bei, IT-bedingte Risiken zu senken, die Unternehmensziele zu unterstützen und es besteht auch die Chance, dass es preiswerte wird.

 

Damit das funktioniert, fasse ich für Dich die sechs Punkte zusammen:

6 wichtige Punkte

1. Notwendiger Wandel in der IT-Organisation

Ohne ihn wird auf lange Sicht das Vorhaben Outsourcing nicht gelingen

2. Fehlende Klarheit über Ziele und Nutzen

Wenn Deine einzige Motivation ist, dass es billiger werden soll, dann fange bitte von vorn an und sorge in Deinem Unternehmen für die Klarheit was erreicht werden und was besser werden soll.

Die Erarbeitung einer Sourcingstrategie kann Dir dabei helfen, die Leitplanken zu definieren.

3. Fehlende Einbeziehung der Fachbereiche

Eine Sourcingstrategie einzig aus Sicht der IT oder des Controllings wird immer an den Bedürfnissen der Fachbereiche vorbeigehen – binde diese frühzeitig ein! Das erspart Dir viel Ärger in der Zukunft.

Der Provider wird Fehler machen. Die Frage ist wie ihr gemeinsam den Fehler nutzt, damit es zukünftig besser läuft.

4. Vernachlässigung der Kommunikation nach innen und außen

Der kontinuierliche Austausch mit den Fachbereichen und den Providern ist für den Erfolg unerlässlich.

Die Welt dreht sich sofort nach Vertragsabschluss weiter. Die Frage ist, wie Du von sich ändernden Anforderungen erfährst. Eine Bringschuld ist da glaube ich der falsche Weg.

5. Providerauswahl – der billigste gewinnt

Welche Kriterien, neben einem angemessenen Preis, sind für Dich und Dein Unternehmen wichtig? Ist es eine Option, dass der Helpdesk in Bulgarien ist oder sind die Sprachbarrieren zu hoch?

Wie viel Flexibilität erwartest Du vom Provider? Du bindest Dich in der Regel mindestens 36 Monate an einen Provider, überlege Dir genau was für Dein Unternehmen wichtig ist.

6. Fehlender Reife der eigenen Organisation

In Deiner Organisation dürfen viele Voraussetzung geschaffen werden, damit das Vorhaben Outsourcing erfolgreich wird:

Aufbau einer Serviceorganisation, Fähigkeiten zur Steuerung der Provider und Verträge und die Kompetenz Probleme zu analysieren und in Anforderungen zu übersetzen.

Gleiches gilt, wenn auch nicht in dem Umfang, für die Nutzung von Cloud-Services. Durch den hohen Grad der Standardisierung ist da in der Regel wenig Luft für ein aktives Providermanagement – zumindest im Fall von Public-Cloud-Angeboten. Allerdings alles was Du zum Thema Kommunikation nach innen, Zielen und Problemanalyse gehört hast, trifft auch hier zu.

 

Outsourcing ist in vielen Situationen eine gute Idee, um den Herausforderungen im Geschäft und der IT zu begegnen.

Du darfst die Komplexität dieses Vorhabens nicht unterschätzen.

Angst brauchst Du davor auch nicht zu haben.

Behalte die sechs Punkte im Blick und entwickle Deine Organisation. Starte in einem überschaubaren Rahmen, lerne dabei und entwickle die Fähigkeiten und Routine in Deinem Unternehmen. Beginne jetzt damit, bevor es zwingende Notwendigkeiten gibt, die Dir nicht die Zeit für das notwendige Lernen lassen.

 

*Update*

Im Nachgang habe ich einen guten Artikel von Martin Andenmatten zum SIAM gefunden: Service Integration And Mangement. Ein Konzept von Kevin Holland. Im Prinzip ist das ein Prozessmodell, für alle die einen oder mehrere Provider steuern dürfen. Dazu gibt es inzwischen auch einen umfangreichen Artikel hier im Blog und ein Whitepaper von Kevin Holland.

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Robert Sieber
 

Robert Sieber ist Ex-CIO, Podcaster und Servicenerd. Seine Vision ist eine interne IT, die sich genauso einfach buchen, nutzen und bezahlen lässt, wie die Fahrt mit dem Taxi. Als Berater und Coach packt er ganz praktisch und pragmatisch bei seinen Kunden an, um echte Serviceorientierung zu dauerhaft zu etablieren. Robert Sieber vertritt einen pragmatischen und geschäftsfokussierten Weg für Service-Management. Als Berater sind für ihn gesunder Menschenverstand und offene Kommunikation wichtiger als Frameworks und Best Practices.

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