Warum Dir ein Servicekatalog das Leben erleichtert und wie Du ihn erstellst.

Hast Du auch manchmal das Gefühl, dass die IT-Abteilung für alles zuständig ist, was ein Stromkabel hat? Also nicht nur Rechner, Server und Netzwerk, sondern auch Beamer, Kopierer und Telefon. So ging es zumindest mir während meines Studiums. Ich habe ein duales Studium an der Berufsakademie in Dresden absolviert. Fachrichtung Informationstechnik. Der Begriff dual bedeutet, dass zu der theoretischen Ausbildung noch die praktische Ausbildung in einem Unternehmen kommt. Es gibt einen regelmäßigen Wechsel zwischen Theorie und Praxis. Genau das hat es für mich so interessant gemacht.

Du kannst Den Artikel auch hören. Einfach hier klicken!

 

In dem Unternehmen, in dem ich während dieser Zeit gearbeitet habe, war es genauso. Aus Sicht der Nutzer war die IT für alles verantwortlich, was ein Stromkabel hat. Soll das tatsächlich so sein, dann ist das weder schlimm noch falsch. Problematisch wird es dann, wenn unterschiedliche Erwartungshaltungen aufeinander prallen. Der Nutzer eine andere Erwartung an das Portfolio hat, als Du leisten sollst. Gesteigert wird das dann nur durch die Nachfrage nach ganz individuellen Leistungen der IT-Abteilung. Das führt zwangsläufig zu Konflikten und Unzufriedenheit mit der IT-Abteilung.

Servicekatalog und Speisekarte

Ich sehe in einem Servicekatalog für Dich die Chance, ganz klar zu formulieren, was die IT-Abteilung zu welchem Preis leistet, um Dir so das Leben zu erleichtern. Viele vergleichen den IT-Servicekatalog mit einer Speisekarte im Restaurant. Das kannst Du Dir so vorstellen. Der Vergleich hinkt aber an einer Stelle: Während Du im Restaurant in der Regel verschiedene Komponenten verändern und anders kombinieren kannst, ist es im Kontext Deines Unternehmens vielleicht gar nicht erwünscht, dass Servicebestandteile verändert bzw. rekombiniert werden. Viele Unternehmen setzen auf Standardisierung, um entsprechende Skaleneffekte zu erreichen und kostengünstig zu produzieren. Jede Abweichung bedeutet nicht nur höhere Kosten, sondern auch andere Risiken und zieht ggf. Problemen im Support und der Verwaltung nach sich. 

Ich erinnere mich an eine Begebenheit in einem Thüringer Gasthof: Mein Tischpartner bestellte Fisch mit grünen Klößen. Es dauerte nicht lang, da kam der Koch aus der Küche gestürmt und fragte die Bedienung hörbar für alle: „Welcher Idiot bestellt hier Klöße mit Fisch.“ – für ihn passte das gar nicht zusammen und fühlte sich in seiner Ehre gekränkt. Durch die Erwartungshaltung, dass die Komponenten einer Speisekarte re-kombiniert werden können, konnte es zu dieser Situation kommen.

Wenn Du einen Servicekatalog aufbaust, überlege Dir welche Freiheitsgrade für das Unternehmen sinnvoll und notwendig sind. Überlege Dir, was es bedeuten würde einen Schritt weiter in Richtung Individualisierung zu gehen und gebe diesem Schritt einfach anderes Preisschild. Die Nachfrage lässt sich wunderbar über den Preis steuern. Das möchte ich Dir an einem Beispiel verdeutlichen: Nehmen wir etwas Einfaches – das Notebook. Du kannst die Arbeitsplatzausstattung auf mindestens drei Arten anbieten:

  1. Du gibst genau die zur Verfügung stehenden Modelle und deren Konfiguration vor. Damit sorgst Du für eine sehr hohe Standardisierung und damit für geringe Kosten in der Inbetriebnahme und dem Support. Du sorgst aber auch dafür, dass Du regelmäßig überprüfen musst, ob es die Modelle noch gibt und Du musst immer wieder neue Modelle konfigurieren und den Warenkorb anpassen.
  2. Du beschränkst die Auswahl auf einen Hersteller. Es ist egal, welches Modell und welche Konfiguration der Benutzer wählt. Das bedeutet Mehrkosten für die Inbetriebnahme und vielleicht auch für den Support. Du hast damit aber nicht die Pflegearbeit des Warenkorbs und sorgst für zufriedenere Nutzer.
  3. Du gibst überhaupt nichts vor und hast hohe Kosten für alles was mit dem Lebenszyklus des Notebooks zu tun hat.

Dir sind bestimmt schon mehr Varianten eingefallen, aber ich möchte es dabei belassen. Ich möchte Dir nur das Grundprinzip zeigen, was ich bei der Erstellung eines Servicekatalogs für wichtig erachte: Der Servicekatalog darf sich an den konkreten Bedürfnissen des Unternehmens orientieren. Es ist kein Friss-oder-Stirb Angebot. Und vor allem: Es ist kein technisch orientiertes Angebot.

Attraktives Angebot

Wenn Du in einer Suchmaschine Servicekatalog eingibst, dann findest Du bei den ersten Treffern vor allem Beispiele mit Einträgen wie Server-Housing, Storage Services oder Application Providing. Klingt gut, ist für den Nutzer aber schwierig. Das ist ähnlich wie, wenn auf der Speisekarte im Restaurant steht: „Oncorhynchus nerka gratiniert mit Spinacia oleracea auf Solanum tuberosum“ – auf Deutsch: „Seelachs überbacken mit Spinat auf Kartoffeln“. Du erinnerst Dich an Folge 4 des Podcast (nachlesen), in dem wir über die Eigenschaften eines IT-Service gesprochen haben und ich Dir erläutert habe, warum die Namensgebung so wichtig ist. Wenn Du die Folge nicht kennst, dann höre dort mal rein

Die Idee der geschäftsorientierten Services zieht sich natürlich weiter in den Servicekatalog. Gerade hier ist es von großer Bedeutung, dass der Nutzer einen Bezug zu den Leistungen hat. Es ist völlig am Ziel vorbei, wenn die IT hier eine Nabelschau Ihrer (technischen) Leistungen betreibt. Der vom Nutzer erwartete Nutzen steht hier im Vordergrund. 

Erwartungshaltung steuern

Du erzeugst mit Deinem Angebot eine Erwartungshaltung bei Deinem Nutzer bzw. Kunden. Je genauer Du diese Erwartungshaltung steuern kannst, umso geringer ist der Unterschied zwischen dem, was Du leisten kannst und möchtest, und dem was der Nutzer sich erwartet. Das ist für den Erfolg Eurer Beziehung entscheidend. Nicht erfüllte Erwartungshaltungen sind der häufigste Grund für Unzufriedenheit und Probleme. 

Aus diesem Grund bin ich Verfechter, Services in der Sprache und Prozesswelt des Kunden zu definieren. Die Vorteile habe ich in Folge 6 (nachlesen) des Podcast erläutert. Kommunikation, Erwartungshaltung, SLA, Abrechnung und Automatisierung sind die fünf großen Bereiche, in denen Du viel gewinnen kannst, wenn Du Services und Deinen Servicekatalog so aufbaust.

Die Beschreibung der Services spielt dabei natürlich eine wichtige Rolle. Also welche Informationen gebe ich den Kunden darüber, was meine Dienste leisten. Bei vielen Gerichten, die auf einer Speisekarte stehen, hast Du eine Vorstellung was Dich erwartet und wie es schmecken könnte – aus Deiner Erfahrung. Bei Diensten aus einem IT-Servicekatalog ist Dein Erfahrungshorizont als Kunden wahrscheinlich nicht so groß, dass Du zu einer realistischen Einschätzung kommst. Deswegen ist es wichtig, das ordentlich zu beschreiben. Zu beschreiben, was der Kunde damit alles erledigen kann – das Nutzenversprechen. Erinnere Dich bitte an die Definition eines Service aus Podcastfolge 4: „Ein Service ist ein Bündel von Nutzeffekten“.

Das fängt natürlich mit dem Namen an: Lass uns das mal am Beispiel des Service „Angebot erstellen“ durchgehen. Was ist jetzt der Nutzen für den Kunden? In einem konkreten Kundenprojekt wurde folgender Nutzen angeboten:

  • Erstellen von definitiven Angeboten
  • Hinzufügen von Artikeln aus dem Artikelstamm
  • Hinzufügen von freie Artikeln
  • Anhängen von Lieferantenangeboten
  • Preisanfrage
  • Rückmeldung von Fehlern bei der Preisanfrage
  • Angebotsprüfung
  • Aufbewahrung verschiedener Angebotsversionen

Der einzelne Nutzen wird dann noch näher spezifiziert. In letzter Zeit habe ich mit der Beschreibung auf Basis von 12-Attributen nach Paul G. Huppertz experimentiert. Das Beispiel ist nach dieser Idee modelliert und zeigt Dir, wie es funktionieren kann. Mich interessiert Deine Meinung dazu – nutze bitte die Kommentarfunktion.

Servicebeschreibung

Die genaue Spezifikation stelle ich Dir hier als Download zur Verfügung. Du erhälst außerdem eine bearbeitbare Vorlage für die Service-Spezifikation:

Wenn Du eine Beschreibung für Deine Services Schritt für Schritt erstellst, wirst Du merken, dass Du in einer ziemlich langen Liste von Services mit entsprechenden umfangreichen Beschreibungen endest. An der Stelle lohnt es sich für Dich über die Flughöhe der Nutzensbeschreibung nachzudenken. Du wirst vielleicht auch feststellen, dass die 12 Attribute für Deine Situation nicht ausreichend sind. Woran Du bitte auch denkst, ist Dein Kunde. Wie soll Dein Kunde sich in einem Servicekatalog von 100, 200, 300 oder mehr Diensten zurechtfinden. Ich behaupte, das wird schon bei mehr als 20 Diensten nicht wirklich möglich sein. Vor allem stehst Du vor der Herausforderung, dass der Kunde auch wirklich alles bestellt, was er für die Arbeit benötigt. Und da wette ich mir Dir: Das geht in den meisten Fällen schief und Du hast wieder das Problem der unerfüllten Erwartungen.

IT-Servicekatalog & Rollenmodell

Daher möchte ich Dir eine Idee vorstellen, wie Du das in den Griff bekommen kannst: Die Idee beruht auf der Annahme, dass es in einem Unternehmen ein Rollenmodell und eine Rollenbeschreibung gibt. In der Regel reicht es auch schon aus, wenn es Stellenbeschreibungen gibt. Dort findest Du Informationen, welche Rollen an welchen Prozessen im Unternehmen beteiligt sind. Also beispielsweise nutzt der Lohnbuchhalter aufgrund seiner Aufgaben folgende Dienste:

  • Gehaltsabrechnung erstellen
  • Sozialversicherungsmeldungen erstellen
  • Krankmeldung verarbeiten
  • Urlaubsanträge verbuchen

Das ist nur ein Auszug der genutzten Services. Wenn Du den Service „Arbeitsplatz Lohnbuchhalter“ anbietest, dann fasst Du alle zugehörigen Services zusammen und der Leiter der Buchhaltung bestellt für einen neuen Mitarbeiter nur noch diesen einen Services und das notwendige Arbeitsgerät, sprich Computer. 

Damit machst Du es Deinen Kunden sehr einfach und es besteht nicht die Gefahr, dass etwas vergessen wird. Natürlich darfst Du die Zusammenstellung auch mit der jeweiligen Fachabteilung überprüfen. Das ist eine Idee, die ich seit einiger Zeit ausprobiere und bisher gutes Feedback dazu bekommen habe. Was hältst Du davon? Macht es Dir das Leben einfacher? 

Verrechnung

Denke bitte die Idee mal weiter: Denke bitte an die Verrechnung von IT-Leistungen. Dass ich nichts davon halte, dass CPU-Zeiten, RAM und so weiter verrechnet werden, brauche ich hier nicht weiter ausführen. In einem vergangenen Podcast habe ich schon mal die Idee geäußert, dass Du für die Services spezifische Verrechnungspreise ermitteln kannst. Also bei Angebot erstellen, den Preis für ein Angebot. Damit machst Du es dem Kostenstellenverantwortlichen viel leichter, Deine Abrechnung zu prüfen. Er hat wieder eine direkte Relation zu seiner Begriffs- und Prozesswelt.

Überträgst Du das jetzt auf die Idee das Serviceangebot nach Rollen aufzubauen, dann bedeutet das, dass Du einen Preis pro Service hast – also eine feste monatliche Summe pro Mitarbeiter Lohnbuchhaltung. Das erleichtert nicht unbedingt die Ermittlung der Serviceerbringungskosten, sondern es erleichtert allen Beteiligten die monatliche Abrechnung. Da denke ich nicht nur an Dich und Deine Kunden, sondern vor allem auch an die Buchhaltung Deines Unternehmens. Die wird Dir dankbar sein, wenn Du nicht zu kleinteilig abrechnest, Insgesamt erreichst Du dadurch eine wesentliche Vereinfachung der Abrechnung und somit eine Kostensenkung gegenüber den anderen Methoden. Denn gerade bei innerbetrieblicher Verrechnung solltest Du zusehen, dass die Kirche im Dorf bleibt. Soll heißen, dass die Ermittlung des Verbrauchs und die Abrechnung nicht mehr kosten als Du einnimmst.

Automatisierung

Ich bin mir ziemlich sicher, dass Du mindestens in einem anderen Bereich schon Berührungen mit dem Rollenmodell Deines Unternehmens hattest: Ich denke da an Nutzer- und Rollen bzw. das Thema Access-Management. Häufig sind genau da die Unternehmensrollen abgebildet und Du gibst einem Nutzeraccount eine oder nur wenige Gruppen, über die er alle notwendigen Berechtigungen bekommt. Das ist eine super Grundlage für den Servicekatalog und zusammen für die Automatisierung.

Wenn ein Arbeitsplatz Lohnbuchhalter bestellt wird, dann kannst Du auf Basis der Information, welche Services dieser Arbeitsplatz nutzt, einen Großteil der Arbeit automatisieren: Anlegen von Nutzern, Erstellen von Verzeichnissen, Vergabe von Berechtigung oder die Provisionierung von irgendwas. Das heißt, der Servicekatalog ist die Grundlage für eine sinnvolle Automatisierung.

IT-Servicekatalog – Zusammenfassung

Ein sinnvoller Servicekatalog erleichtert Dir Dein Leben als Service-Anbieter sehr stark. Er macht klar, welche Leistungen, mit welchen Parametern und zu welchen finanziellen Konditionen Deine IT-Abteilung anbietet. Damit steuerst Du die Erwartungshaltung Deiner Nutzer und Kunden. Er zeigt klar die Grenzen Deines Angebotes und die Freiheitsgrade für den Besteller. Du legst damit die Grundlage für eine nachvollziehbare Abrechnung und eine effektive Automatisierung.

Wenn Du jetzt die Frage stellst, ob Du in einem ITSM-Projekt mit einem Servicekatalog bzw. dem Portfolio-Management beginnen solltest, dann antworte ich natürlich: Es kommt drauf an. Es kommt auf die Ausgangssituation, den bestehenden Problemen und die mit dem Projekt verbundenen Zielen zusammen. Baust Du eine neue Firma als Serviceprovider auf, dann beginnst Du natürlich mit dem Portfolio. Ist das größte Problem Deiner bestehenden Organisation eine hohe Fehlerquote bei Changes, dann ist das wahrscheinlich nicht der erste Schritt. 

Bildquellen/Copyright:

Robert Sieber
 

Robert Sieber ist Ex-CIO, Podcaster und Servicenerd. Seine Vision ist eine interne IT, die sich genauso einfach buchen, nutzen und bezahlen lässt, wie die Fahrt mit dem Taxi. Als Berater und Coach packt er ganz praktisch und pragmatisch bei seinen Kunden an, um echte Serviceorientierung zu dauerhaft zu etablieren. Robert Sieber vertritt einen pragmatischen und geschäftsfokussierten Weg für Service-Management. Als Berater sind für ihn gesunder Menschenverstand und offene Kommunikation wichtiger als Frameworks und Best Practices.

Click Here to Leave a Comment Below 0 comments