Utility, Warranty, User Experience

Weihnachten ist ein gutes Beispiel, wie das mit Utility, Warranty und User Experience funktioniert. Deine Kinder erwarten von den Geschenken die richtige Leistung, Langlebigkeit und intuitive Bedienbarkeit. Genau wie Deine Kunden und Nutzer von Deinen Services.


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Letzte Woche war ich in Koblenz auf dem Jahreskongress des itSMF.  Für mich ist es immer wieder schön, wenn mich Menschen ansprechen und sich als Podcast-Hörer „outen“. Es ist schön wenn es zwischen Dir und mir einen Rückkanal gibt. Vielen Dank dafür!

Das Programm war eine bunte Mischung verschiedenster Themen. Das Wort Agilität war in vieler Münder und es gab jede Menge Sessions dazu. Ganz viele Menschen haben in einem World Cafe über verschiedene Fragestellung rund um Agilität diskutiert. Das World Cafe habe ich moderiert und war erstaunt. Das Verständnis von Agilität ist sehr unterschiedlich. Genauso unterschiedlich wie das, was Menschen zugetraut wird.

Das nächste große Thema war Multiprovider-Management. Dazu gab es dieses Jahr ein Fachforum des itSMF, welches auf dem Kongress die Arbeitsergebnisse vorgestellt hat. Wenn Du Dich dafür interessierst, dann kannst Du auf www.transformation-it.de den Survival-Guide für Service Broker runterladen.

Wie gesagt eine ganz bunte Mischung von Themen. Auch der Service Owner, über den wir in der letzten Folge sprachen, spielte immer wieder eine Rolle. Einen tollen Vortrag hielt Jose Silva zusammen mit Stefan Kuhardt. Beide habe über die Evolution des Service-Managements bei Hamburg Süd erzählt. Wenn Du es genauer wissen möchtest, dann kannst Du in das Interview mit Jose reinhören. 

Warum machen wir das?

Bei vielen der anderen Themen hatte ich den Eindruck, dass wir sehr schnell vergessen, worum es wirklich geht. Klar, es ist viel einfacher sich mit Technologie und der eigenen Optimierung zu beschäftigen. Anstatt sich direkt mit dem Kunden, seine Wahrnehmung der IT und seinen Anforderungen zu beschäftigen.

Das Ziel jeglicher Serviceerbringung ist das Erzeugen von Wert für den Nutzer und Kunden. Lass es uns mal von der vertrieblichen und psychologischen Seite betrachten: Warum kaufst Du ein Produkt oder schließt ein Abo für einen Service ab?

Kaufmotivation lässt sich auf sieben treibende Motive zusammenfassen:

  1. Mit dem Kauf verbesserst Du Dein Ansehen bei Deinen Kollegen, Freunden oder Nachbarn. Das konnten wir sehr gut beobachten als die Blackberrys oder iPhones auf dem Markt kamen. Oder schau mal in Deine Nachbarschaft und beobachte Deine Nachbarn und Ihre Autos.
  2. Ein sehr starkes Kaufmotiv ist die Gesundheit. Vielleicht gehörst Du auch zu den Menschen, die viel Geld in Produkte investieren, die ihrer Gesundheit zuträglich sind? Ich investiere gern etwas mehr, wenn ich mir sicher sein kann, dass mein Essen frei von Zusatzstoffen ist.
  3. Versicherungen nutzen die Angst, um ihre Produkte zu verkaufen. Damit adressieren Sie die dritte Kaufmotivation – die Sicherheit. Wenn Du verschiedene CIOs beobachtest, dann wirst Du feststellen, dass sie immer einen Hersteller aus dem rechten oberen Gartner-Quadranten wählen oder immer Externe über die Produktauswahl entscheiden. Auch dahinter steckt der Wunsch nach Sicherheit.
  4. Auch Bequemlichkeit und Komfort sind eine große Kaufmotivation. Ansonsten würden Rasenmäh- und Saugroboter nie Kunden finden.
  5. Bei CIOs spielt auch häufig der Wunsch Bereicherung eine Rolle. Nein, nicht die persönliche, sondern im Sinne von Geld sparen. Cyber-Monday und Black-Friday triggern genau diese Motivation. Das funktioniert ausgesprochen gut. Wenn ich mir überlege, was ich vor wenigen Wochen an neuen WordPressplugins gekauft habe, nur weil sie so unschlagbar günstig waren.
  6. Ich selber lass mich sehr gern von Neugier und Entdeckung treiben. Wenn Du wüsstest, in wie viele Crowdfundingaktionen ich deswegen schon investiert habe ….
  7. Die letzte Kaufmotivation ist das soziale Engagement. In unserem Kontext spielt das nicht so die entscheidende Rolle. Außerhalb des Unternehmens ist sie allerdings sehr stark. Insbesondere vor Weihnachten, wenn wir unser Ablass-Spenden tätigen.

Bis auf die letzte Kaufmotivation spielen alle anderen auch im Kontext unseres Unternehmens und der IT-Services eine starke Rolle. Egal welche Motivation zutrifft, der Kunde stellt sich implizit folgende Fragen:

  • Was kann ich mit dem Service, was ich ohne ihn nicht kann?
  • Was kann ich mit dem Service schneller, besser, billiger usw.?
  • Was trägt der Service bei, um mein Problem zu lösen?

Je nach vorherrschendem Kaufmotiv, kommt der Kunde zu seinen ganz persönlichen Antworten. Bin ich als CIO von Bereicherung im Sinne vom Einhalten des Budgets getrieben, dann wird meine Frage immer sein, wie kann ich mein Budget einhalten oder gar weniger Geld brauchen, um die Services bereitzustellen. Ich glaube, so richtig innovativ und kundenorientiert wird eine solche IT nicht.

Utility und Warranty

Und genau das ist das Problem, warum das IT-Budget in die Hand der Fachbereiche gehört. Denn es geht ja um den Kunden und für ihn sinnvolle Services.

Was ich Dir jetzt gerade über Kaufmotivation erzählt habe, fassen wir in der IT unter dem schnörkellosen Begriff der Utility  zusammen. Du erinnerst Dich vielleicht noch an Deine ITIL-Ausbildung. Da spielte das kurz eine Rolle.

Utility bedeutet übersetzt Brauchbarkeit oder Nutzen. Utility beschreibt die Funktionalität eines Service um den Bedürfnissen des Kunden gerecht zu werden. Also genau die drei Fragen, die ich gerade genannt habe:

  • Was kann ich mit dem Service, was ich ohne ihn nicht kann?
  • Was kann ich mit dem Service schneller, besser, billiger usw.?
  • Was trägt der Service bei, um mein Problem zu lösen?

Ohne einen Nutzen oder die Utility wird niemand Deinen Service nutzen.

Es ist allerdings noch nicht ausreichend, damit der Kunde glücklich wird. Die zweite Seite der Medaille ist die Warranty. Übersetzt bedeutet das Gewährleistung, Garantie oder Zusicherung. Folgende vier Punkte spielen dabei eine Rolle:

  • Verfügbarkeit: Steht der Service für den Kunden in der gewünschten Verfügbarkeit zur Verfügung? Wobei ich bei dem Punkt immer einschränkend hinzufüge, dass wir in einer allways-on Zeit leben. Der Kunde setzt voraus, dass der Service verfügbar ist und zwar immer.
  • Kapazität: Ist genügen für alle da? Sprich, kann der Service in gleichbleibender Qualität genutzt werden, wenn die avisierte Nutzerzahl erreicht ist.
  • Kontinuität: Was passiert, wenn es eine Störung, einen Ausfall oder gar eine Katastrophe gibt? Was ist verkraftbar und wie schnell muss es wieder funktionieren.
  • Sicherheit: Sind Datenschutz und Informationssicherheit gewährleistet.

Hast Du als Kunde die Fragen nach dem Nutzen eines Service für Dich positiv beantwortet, dann geht es um das Vertrauen in den Serviceprovider, ob er die zugesagte Leistung auch zuverlässig liefert.
Es ist immer ein Zusammenspiel von Utility und Warranty:

Soweit nichts Neues, ich glaube, das stand schon in den ITIL v2 Büchern und wird auch weiterhin eine Rolle spielen. Da bin ich mir sicher.

Da fehlt doch was!

Nun komme ich um die Ecke und sage Dir, dass das nicht mehr reicht. Meiner Meinung nach braucht es eine dritte Komponente, damit Kunde und Nutzer wirklich zufrieden sind. Dazu ein aktuelles Beispiel:

Ein Kunde hat ein ITSM-Tool im Einsatz, welches die notwendigen Prozesse abbildet und mit Customizing auch alles zur Verfügung stellt, was die Nutzer sich wünschen. Das Ding ist hoch verfügbar, halbwegs schnell, Ausfälle gibt es keine und die Daten liegen sicher im eigenen Rechenzentrum. Utility und Warranty sind erfüllt.

Nun kam ein Kunde meines Kunden und fragte ein Ticketsystem für seine eigenen Zwecke an. Anstatt inbrünstig das eigene Tool zu zeigen und ihm da einen Mandanten anzulegen, geht man in eine Evaluierung und schaut, was gut für den Kunden ist. Man will ihm das eigene Tool nicht verkaufen.

Du fragst Dich warum? So gut wie niemand beim Kunden mag das Tool. Es ist meilenweit weg von Bedienerfreundlichkeit und Ergonomie. Kaum einer arbeitet gern damit. Es ist umständlich zu bedienen. Die Oberfläche ist veraltet.

Neben Utility und Warranty fehlt die dritte Komponente: Es fehlt eine gute User Experience. Auch hier wieder die Übersetzung: Nutzererfahrung, Nutzererlebnis oder Nutzungserlebnis. Ich möchte es für uns besser mit Serviceerlebnis übersetzen. Das trifft es wesentlich besser. Im Englischen dann Service Experience, wobei ich keinen neuen Begriff einführen möchte.

Das reine liefern der Fakten reicht nicht mehr aus. Die Nutzer erheben berechtigterweise den Anspruch, dass ein Service auch einfach und intuitiv zu nutzen ist. Schau Dir die Welt der Apps an und dann schau Dir die Welt der SAP, Salesforce oder Navision an. Da erkennst Du einen kleinen Unterschied, was die User Experience angeht, oder?

Ohne User Experience wird es nicht!

 

Die Frontends unserer Services dürfen einfach zu bedienen sein. Für fachlich versierte Nutzer sollte sich das meiste von selbst erschließen. Das senkt am Ende nicht nur die Kosten in Schulung und Support, sondern macht die Nutzer auch produktiver.

User Experience ist sehr wichtig. Spannend ist, dass das gar kein wirklich neues Thema ist. Seit den 1980er beschäftigt sich die Wissenschaft damit. Es gibt sogar einen DIN Norm, in der Usability und User Experience beschrieben sind. Seit 2010 definiert die ISO 9241 – 210  User Experience als „A person’s perceptions and responses that result from the use and/or anticipated use of a product, system or service.”
User Experience beinhaltet demnach alle Wahrnehmungen und Reaktionen eines Nutzers, vor, während und nach der Nutzung eines Service.

Diese Definition gefällt mir sehr gut. Für mich umfasst ein klasse Serviceerlebnis alles was der Nutzer oder Kunde tut, um Informationen zu einem Service zu bekommen, den Service zu buchen, die Auslieferung, die Nutzung und alles was währenddessen passiert. Auch die Rückgabe oder Kündigung wird davon umfasst.

Das so locker ausgesprochen, führt mich zu dem Schluss, dass wir mit unseren Services noch viel Potential nach oben haben.

Um einen tollen Service zur Verfügung zu stellen brauchst Du Utility, Warranty und User Experience.

Das reicht immer noch nicht!

Es fehlt das richtige Preis-Leistungs-Verhältnis! Welchen Nutzen bietest Du zu welchem Preis an. Der beste Nutzen, die beste Verfügbarkeit und eine super User Experience nutzen nichts, wenn Dein Kunde nicht bereit ist, den angemessenen Preis zu bezahlen.

Dein Kunde darf verstehen, was der Nutzen Deines Service ist. Dann wird er schauen, was er damit kann, was er bisher nicht konnte, was er besser kann – kurz welches Problem damit gelöst wird. Ist ihm die Problemlösung nicht so viel Geld wert oder sieht er das für sich gar nicht als Problem, dann wird er Deinen Service nicht kaufen.

Ich weiß, es ist nicht leicht das anzuerkennen – ich meine wirklich zu verinnerlichen und nicht nur schnell zuzustimmen. Wenn Du das anerkennst, dann wirst Du automatisch viel öfter aus der Kundenbrille schauen. Du wirst viel mehr mit Deinen Kunden sprechen.

Und wenn ich das mit diesem Beitrag erreiche, dann bin ich glücklich! Kennst Du schon die IT-Service-Canvas? Probiere sie bitte mal aus. Sie ist ein gutes Hilfsmittel um das Gespräch mit dem Kunden in Gang zu bringen:

Robert Sieber
 

Robert Sieber ist Ex-CIO, Podcaster und Servicenerd. Seine Vision ist eine interne IT, die sich genauso einfach buchen, nutzen und bezahlen lässt, wie die Fahrt mit dem Taxi. Als Berater und Coach packt er ganz praktisch und pragmatisch bei seinen Kunden an, um echte Serviceorientierung zu dauerhaft zu etablieren. Robert Sieber vertritt einen pragmatischen und geschäftsfokussierten Weg für Service-Management. Als Berater sind für ihn gesunder Menschenverstand und offene Kommunikation wichtiger als Frameworks und Best Practices.

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