Die Herausforderungen einer Shared-Service-IT!

Heute mal wieder ein Blick direkt in mein CIO-Büro! Angeregt durch einen Artikel zum Thema Shared-Service-IT, lasse ich die letzten zwei Jahre Revue passieren und möchte einige Beobachtungen mit Dir teilen.


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Seit zwei Jahren leite ich als CIO eine Shared-Service-IT. Logischerweise weckte die Überschrift „Innovationsbremse Shared Service IT? 5 Faktoren für Shared Service mit Zukunft“ meine Aufmerksamkeit. Voller Neugier las ich den Text. Ich stimme vielen Punkten zu. Sie sind häufig allerdings nicht spezifisch für eine Shared-Service-IT. Sie gelten für alle IT-Abteilungen im Unternehmen.

Im Blogpost nennt Dr. Florian Meister fünf Faktoren für den Erfolg der Shared-Service-IT. Diese möchte ich heute mit Dir durchgehen, gegen meine eigene Welt mappen und von meinen Erfahrungen berichten.

Serviceorientierung

Starten wir mit dem ersten Punkt: „Eine Service-Orientierung muss eingeführt werden, um Leistungen, aber auch Kosten der IT transparent zu machen. Diese Services inkl. des Pricings sollten sich an der Strategie eines Unternehmens ausrichten und nicht an historisch gewachsenen Bedarfen“

Ja, ja und ja. Grundlage für das Handeln einer jeden IT-Organisation ist die Serviceorientierung. Zumindest wenn diese langfristig überleben möchte. In der ganzen Folge 61 (Serviceorientierung – viel mehr als Service) dreht es sich um Serviceorientierung und warum das viel mehr als nur Service ist.

Es ist die Einstellung eines jeden Mitarbeiters, die den Unterschied macht. Die Bedürfnisse der Kunden mit Liebe zum Detail erfüllen. Trifft es doch gut, oder was meinst Du?

Konkret – was bedeutet Serviceorientierung:

  • Unser Kunden wissen was wir liefern können und können das Angebot einfach requestieren und konsumieren.
  • Der Kunde spricht im was er benötigt und nicht wie es erbracht werden soll.
  • Wir steuern die IT auf Basis unseres Service-Portfolios.
  • Es gibt eindeutige Standards und Regeln für die Entwicklung, Provisionierung, Änderung und den gesamten Lebenszyklus eines Service
  • Anwendung einer definierten Service-Architektur bei der Entwicklung von Services

Um nur mal einige wichtige  Punkte zu nennen. Der letzte Punkt zur Architektur bringt uns zum finanziellen Aspekt: Wenn Du weißt, wie sich ein Service zusammensetzt, dann kannst Du auch dessen Kosten berechnen. So wird Dir transparent, zu welchen Kosten Du Deine Komponenten produzierst oder einkaufst.

Natürlich darfst Du die Services an dem ausrichten, was Dein Unternehmen als Geschäftstätigkeit hat.

Zum Thema Serviceorientierung habe ich für Dich ein Arbeitsblatt entwickelt, welches Dir helfen soll Deine aktuelle Position zu bestimmen und die nächsten Schritte zu definieren. Das Arbeitsblatt kannst Du Dir hier anfordern:

Effizienz

Der zweite Erfolgsfaktor von Dr. Florian Meister ist: „Im Commodity-Bereich werden über Standardisierung und Optimierung von Services wesentliche Effizienzen zu realisieren sein, um finanzielle Freiräume zu schaffen“

Das geht mir zu sehr in die Richtung mehr mit weniger. Für mich steht die Aufgabe kritisch zu prüfen, welche Leistungen Du am Markt einkaufst und welche Du selber produzierst.

Geh einfach mal von der Grundannahme aus, dass Du alles am Markt kaufen kannst. Dann kannst Du bei jeder Leistung zwei Fragen stellen: „Welche Vorteile hat mein Unternehmen, wenn ich die Leistung selber herstelle?“ Die zweite Frage lautet: „Wie würde ich die Frage beantworten, wenn die Leistung intern das doppelte kostet, wie am freien Markt?“. Damit bekommst Du einen guten Indikator, ob Du produzieren oder einkaufen solltest.

Aus meiner Sicht ist es für Dich ein wichtiger Erfolgsfaktor, die Kompetenz zum Management von Providern aufzubauen! Damit machst Du Deine IT wirklich fit für die Zukunft. Und gerade bei einer Shared-Service-IT kannst Du dadurch wesentlich besser die Skaleneffekte heben, als wenn Du alles selber produzierst.

Business & IT

Der dritte Punkt von Dr. Florian Meister: „Die IT muss zukünftig gemeinsam mit dem Business ein Verständnis entwickeln, in welche Richtung sich Märkte entwickeln, gleichzeitig aber auch, wo Limitationen der IT liegen, um ein langfristiges Alignement zwischen Business und IT sicherzustellen“

Mmh. Ich möchte das mal so formulieren: Reden, reden, miteinander reden. Das ist für mich vielleicht der wichtigste Punkt: Business und IT dürfen regelmäßig miteinander reden. Sie dürfen ein internes Ökosystem aufbauen. Dazu kannst Du Dir das Interview mit Michael Hoffmann anhören. Dort reden wir fast eine Stunde über Ökosysteme.

Reden, reden, reden ist für eine Shared-Service-IT eine der schwierigsten Aufgaben. So zumindest meine Erfahrungen aus den letzten zwei Jahren. Durch die Vielzahl der Kunden, unterschiedlichen Geschäftsmodelle der Kunden und die damit einhergehenden unterschiedlichen Anforderungen, liegt darin die größte Herausforderung. Allen gleich gerecht zu werden, ist schwierig.

Viel zu schnell wirst Du hier, von den operativen Dingen des Tagesgeschäfts, überrollt. Du bist vielleicht auch einfach zu weit weg vom Kerngeschäft der einzelnen Unternehmen, als das Du genügen ernst genommen wirst. Das läuft auf die Fragen hinaus: „Wie ist eine Shared-Service-IT in das Unternehmen eingebunden? Und die zweite Frage: „Welche Services bietet diese an?“ Dazu werde ich am Schluss noch etwas sagen.

Agil und dann?

Jetzt erstmal zur vierten These: „Agile Vorgehensweisen werden sich in der Shared IT ausprägen müssen, um die Innovationskraft aber auch ein schnelleres time-to-market zu fördern (Bis ein dickes Lastenheft geschrieben ist, in ein Pflichtenheft überführt und in der IT umgesetzt ist, ist der Zug schon lange abgefahren)“

Ja das ist ein richtiger Rat. Nein, das ist kein reines Problem der Shared-Service-IT. Diese Forderung trifft auf alle IT-Organisationen zu. Natürlich dürfen wir wendiger werden.

Die spezielle Herausforderung in der Shared-Service-IT liegt vielleicht darin, dass viele Kunden gleichzeitig an den Ressourcen ziehen oder nicht. Das darfst Du Dir vorstellen wie in einem Eisladen. Also bei meiner Eisdiele um die Ecke ist im Winter weniger los als im Sommer – trotzdem sind immer zwei Angestellte im Dienst. Also dauert es im Sommer länger als im Winter.

Das heißt, wenn Du eine Shared-Service-IT hast, darfst Du Dir einen Modus überlegen, wie gemeinsam mit den Kunden die unterschiedlichen Anforderungen priorisiert werden. Andere Variante für Dich wäre ein ausgeklügeltes System, welches primär auf externe Kräfte setzt und so entsprechend der Auslastung auch Kosten verursacht.

Allerdings bin ich wenig davon angetan, das konkrete Business- und Prozesswissen außerhalb des Unternehmens anzusiedeln. Das scheint mir nicht sinnvoll.

Also darfst Du auf jeden Fall knappe Ressourcen unter den Kunden aufteilen. Das ist für mich immer wieder eine Herausforderung!

Standardisierung

Der fünfte und letzte Rat von Dr. Florian Meister lautet: „IT-Architekturen müssen auf die neuen Herausforderungen ausgerichtet werden, was auch das konsequente Hinterfragen von bestehenden Systemen, … beinhaltet. Diese IT-Architektur sollte mit einem strategischen Pricing der Services verbunden werden, um hierdurch die (langfristige) Umsetzung der Architektur sicherzustellen“

Klar, wenn ich die IT für mehrere Kunden verantworte, kann ich viel leichter durch Standardisierung von Skaleneffekten und geringeren Betriebskosten profitieren. Als ich meine Tätigkeit als IT-Leiter aufnahm, habe ich eine Zukunftsarchitektur entwickelt, die für verschiedene Aufgaben generische Services vorsieht, die dann individuell für die konkrete Anforderung ausgestaltet werden. Klassisches Beispiel ist die Automatisierung von papiergebunden Prozessen mit einer BPM-Lösung. Dem Kunden ist die Plattform egal – Hauptsache der Prozess funktioniert und der Service bringt die entsprechenden Vorteile.

Für eine Shared-Service-IT ist das allerdings auch schwerer. Kunden müssen ggf. Schritte mitgehen, die sie allein nie gegangen wären. Du darfst jede Entscheidung aus den Blickwinkeln all Deiner Kunden hinterfragen und schauen, was die Vorteile für den jeweiligen Kunden sind. Keine leichte Aufgabe.

Meine Herausforderungen

Soweit die Tipps von Dr. Florian Meister. Ich möchte mit Dir noch einige Beobachtungen der zwei Jahren als CIO teilen:

Meine Auftrag war der Aufbau einer Shared-Service-IT. Ich habe dabei sehr früh erlebt, wie schwierig das Einfangen aller Stakeholder sein kann. Vor allem die „hidden agendas“ einiger Protagonisten sind dabei hinderlich. Ich spreche bewusst im Präsens, denn das ist ein Punkt, der wohl immer eine Rolle spielen wird.

Ein Shared-Service-Center befindet sich außerhalb des direkten Einflussbereiches der einzelnen Geschäftsführer. Der Bereich verfolgt eigene Ziele. Der Bereich muss seine Aktivitäten priorisieren und die verfügbaren Ressourcen auf die Kunden verteilen. Das ist einem Geschäftsführer natürlich suspekt. Er ist in erster Linie für den Erfolg seiner eigenen Einheit verantwortlich – dementsprechend handelt er. Das ist ganz normal und in der Regel durch die Bonisysteme auch noch befördert.

In diesem Umfeld eine offene und ehrliche Kommunikation zu etablieren ist schwer. Ich weiß nicht, ob mir das wirklich gelungen ist.

Damit einhergehend ist die Frage nach dem Geschäftsmodell der Shared-Service-IT: Also welche Services bietet sie den Kunden an. Wer sind die Kunden.
Ich habe ein Geschäft aufgebaut, in dem sämtliche IT-Leistungen von der zentralen IT-Einheit zur Verfügung gestellt werden. Egal ob grundlegende Dienste wie eMail und der Arbeitsplatz oder Services wie Gehaltsabrechnung oder Projektcontrolling. In der Hoheit meiner Abteilung liegt auch das komplette Anforderungsmanagement. Meine Kunden bekommen von mir einen Rundumservice.

Das ist ein Modell, welches vor allem das Problem der Skalierung und den Vorteil der Standardisierung hat.

Ein zweites mögliches Modell wäre es, die zentrale IT quasi als Infrastruktur-as-a-Service-Lieferanten aufzubauen und die Business-IT-Funktionen in den einzelnen Unternehmen bzw. Fachbereichen zu etablieren. Damit wäre die Business-IT sehr stark am Geschäft des Kunden und sicher flexibler, als die zentrale IT. Skaleneffekte und Standardisierung sind dabei wesentlich schwieriger zu erreichen.

Widersprüche

Andere Möglichkeiten liegen zwischen diesen beiden Polen. Die Wahl des richtigen Geschäftsmodells ist entscheidend für Deinen Erfolg, wenn Du eine Shared-Service-IT führst. Um dieses zu wählen, bist Du wieder mit dem ersten Punkt konfrontiert: die offene und ehrliche Kommunikation.

Gerade, wenn Du wie ich das erste Modell wählst, wirst Du sehr schnell merken, dass die Größe Deiner Organisation entscheidend ist. Und zwar in zwei Richtungen:

  1. Wenn Funktionen zentralisiert werden, wird gleichzeitig erwartet, dass diese insgesamt preiswerter angeboten werden. Das heißt, Du darfst auf keinen Fall mehr Kosten verursachen, als das was es bisher in Summe der isolierten Ausgaben gekostet hat. Und mittelfristig müssen die Kosten sinken.
  2. Wenn die Zentralisierung, wie in meinem Fall, mit einer Professionalisierung der IT einhergeht, wirst Du schnell mehr Anforderungen und Projekte haben, als die Mannschaft leisten kann. Du musst wachsen und die richtigen Menschen mit den benötigten Skills an Board holen.

Zwei Anforderungen, die konträr zueinander sind. Denn, nur weil Zweitens eintritt, heißt das noch lange nicht, dass Ersten nicht mehr gilt.

Es ist ein wirklich spannendes Unterfangen, eine Shared-Service-IT aufzubauen. Eine solche Organisation hat aufgrund der vielen verschiedenen Stakeholdern gegenüber einer normalen internen IT ganz eigene Herausforderungen.

Wenn Du auch in einer Shared-Service-IT tätig bist, interessiert mich Deine Meinung zu den Punkten aus der heutigen Episode. Schreib bitte einen Kommentar in die Kommentare!

Robert Sieber
 

Robert Sieber ist Ex-CIO, Podcaster und Servicenerd. Seine Vision ist eine interne IT, die sich genauso einfach buchen, nutzen und bezahlen lässt, wie die Fahrt mit dem Taxi. Als Berater und Coach packt er ganz praktisch und pragmatisch bei seinen Kunden an, um echte Serviceorientierung zu dauerhaft zu etablieren. Robert Sieber vertritt einen pragmatischen und geschäftsfokussierten Weg für Service-Management. Als Berater sind für ihn gesunder Menschenverstand und offene Kommunikation wichtiger als Frameworks und Best Practices.

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