5 Gründe, warum Du die Prozesse der Fachabteilung kennen solltest

Du kannst die richtigen Services nur anbieten, wenn Du die Prozesse Deiner Kunden kennst. Das ist mein Mantra. In der heutigen Folge berichte ich Dir an einem Beispiel, wie mir das Wissen um die Prozesse geholfen hat. Mit 5 Gründen möchte ich Dir einen Schubs geben, dass Du Dich im Prozessmanagement engagierst.


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Ich möchte das Thema Prozess und Prozessmanagement in eine Begebenheit von meiner Arbeit packen:

Ich wurde gebeten die Beschaffung einer Software in die Wege zu leiten und zu begleiten.

Die Fachseite hatte sich zwei verschiedene Lösungen angeschaut und wollte eine der beiden haben.

Meine Aufgabe war im Prinzip klar umrissen: Angebote einholen, den Kauf abschließen und dafür sorgen, dass die Software so schnell wie möglich in den Betrieb kommt.

 

Was denkst Du, wie ich reagiert habe?

 

Genau – ich habe gesagt: „Ok, kann ich gern tun. Im Vorfeld möchte ich die Abläufe der Abteilung kennenlernen. Und ich werde mit den Kollegen die Anforderungen in einem Lastenheft aufzeichnen.“

Ich habe nun mal die Angewohnheit, dass ich verstehen möchte, was ich wofür besorge. Insbesondere, wenn es viel Geld kostet.

Ich habe bisher nur wenige Probleme erlebt, die sich durch den Kauf einer Software lösen ließen. Du kennst sicher den Spruch: A fool with a tool is still a fool.  Auf Deutsch: Ein Narr mit einem Werkzeug ist immer noch ein Narr.

Das es ein Problem gibt, ist klar, weil die Kollegen bereit sind, einen hohen 5-stellige Betrag für Software und Dienstleistung auszugeben.

Im nächsten Schritt habe ich eine Projektstruktur aufgestellt und anhand dieser eine Rückwärtsplanung vom gewünschten Starttermin erstellt.       

Der Termin für den Go-Live ist fix – es war also an mir, meine Wünsche in der verbleibenden Zeit unterzubringen. Die Situation kennst Du, oder? Und wenn wir es wirklich wollen, dann schaffen wir das auch.

So auch in diesem Fall.

Um die Prozesse aufzunehmen und zu dokumentieren, habe ich mit den Kollegen Workshops durchgeführt.

Wir haben uns mehrmals für jeweils zwei Stunden zusammen mit einem Flipchart, Stiften und Kreppband von der Außenwelt abgeschottet. Die Kollegen habe mir erzählt, wie es Schritt-für-Schritt abläuft, ich habe Fragen gestellt und das was ich verstanden habe, auf dem Flipchart notiert.

Neben den reinen Aktivitäten, sind folgende Punkte für mich wichtig:

  • Wer führt den Prozessschritt durch?
  • Welche Mitwirkung benötigt dieser?
  • Was wird als Input gebraucht? Von wem kommt das?
  • In welchem IT-System findet der Prozessschritt statt?
  • Welchen Output erzeugt der Prozessschritt? Wer braucht diesen?

So verstehe ich Schritt für Schritt, was die Kollegen den ganzen Tag beschäftigt.

Spannend ist schon bei der Aufnahme, dass die Fachabteilung untereinander in Diskussion kommt, da es unterschiedliche Interpretationen bzw. eigene Umsetzung der Prozesse gibt.

Mein Tipp: Lass die Kollegen einfach diskutieren und dokumentiere deren Ergebnis. Allein damit bist Du schon enorm hilfreich.

Nach den einzelnen Workshops habe ich die Ergebnisse vom Flipchart in ein Prozess-Managementsystem übertragen. Mein Ziel ist es, Prozessmanagement in meinem Unternehmen zu etablieren, daher setze ich hier auf eine Software.

Das brauchst Du aber nicht. Du kommst mit Visio und Excel schon ziemlich weit. Die Dokumentation beinhaltet bei mir immer:

  • eine grafische Beschreibung des Prozesses in BPMN
  • die verbale Beschreibung der einzelnen Prozesschritte
  • die Prozessziele
  • den Prozessverantwortlichen und die Prozessexperten
  • und noch einige Informationen mehr

Ich habe für Dich eine Excelvorlage erstellt, mit der Du sowohl die grundsätzlichen Prozessinformationen als auch die einzelnen Prozessschritte dokumentieren kannst.

Nimm Dir die Exceldatei und kopiere Dir für jeden Prozess die Arbeitsmappe, trage Deine Informationen ein und füge Deine Visio Prozessskizze mit ein.

Wenn Du kein Visio hast, dann nimm den kostenfreien Editor von Bizagi

Die kostenlose Vorlage für Deine Prozessdokumentation findest Du im servicenerds club. Geh einfach auf www.servicenerds.de/club – lege Dir dort ein Konto an und schon hast Du Zugriff auf die Excelvorlage. Und auf alle meine anderen Tools, die ich Dir kostenlos zur Verfügung stelle.

Du fragst Dich vielleicht: Warum macht der sich so eine Arbeit? Was gehen ihn die Prozesse der Fachabteilung an?

Gute Frage und deswegen nenne ich Dir jetzt 5 Gründe, warum ich mich für die Prozesse der Fachabteilung interessiere:

1. Prozesse verstehen schafft Transparenz

Ich halte es gern mit dem Zitat aus Goethes Faust: „Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält“ – ich bin wie Faust davon getrieben tiefer in ein Problem einzudringen um grundlegende Erkenntnisse über ein Sachgebiet oder komplexere Vorgänge zu gewinnen.

Wie schon gesagt: Probleme lassen sich selten mit Software lösen. Software ist meist nur ein Teil einer gut durchdachten Lösung.

Prozesse helfen Dir und mir zu verstehen, wie ein Unternehmen funktioniert. Prozesse sind die Abbildung der Ablauforganisation Deines Unternehmens.

Sie erklären welche Menschen warum und wie welche Aktivität durchführen.

Prozesse sind da.

Einfach so.

Dem muss sich niemand bewusst sein. Sie entstehen einfach. Rainer Feldbrügge spricht von „Kommunikationsmustern“. Ein vortreffliches Wort für Prozesse. Dazu mehr in der nächsten Folge.

Zurück zur Beschaffung der Software.

Weißt Du was die Dokumentation der Prozesse der Fachabteilung zu Tage gefördert hat?

Also, die Beteiligten wussten es schon. Und es war niemanden außerhalb ihres Arbeitsbereiches bewusst:

  • es gibt jede Menge Medienbrüche innerhalb des Prozesse – immer im Wechsel zwischen Excel und der ERP-Lösung
  • es werden verschiedentlich einfach nur Zahlen von einem IT-System in ein anderes übertragen und zurück
  • Funktionen vorhandener Software wird nur ansatzweise genutzt

Dazu kamen noch einige andere Punkte, die ich jetzt nicht aufzähle.

Wichtig für Dich:

Die Dokumentation der Prozesse schafft Transparenz für alle. Sie ermöglichen es Außenstehenden zu verstehen, wie eine Fachabteilung funktioniert. Sie ermöglichen eine interdisziplinäre Arbeit an der Verbesserung der Abläufe.

Prozess-Optimierung

Was uns zum nächsten Punkt führt. Die Dokumentation der Prozesse ist die Grundlage für die Verbesserung und Optimierung der Arbeitsabläufe.

Die Transparenz sorgt dafür, dass Du Optimierungspotential erkennst.

Das Du meine ich so!

Du!

Weil Du von außen drauf schaust. Weil Du Fragen stellen kannst, die das stabile System ins Wanken bringen kann. Fragen, die auf jeden Fall das Denken anregen.

Du sollst nicht als der Besserwisser oder Oberlehrer durchs Unternehmen gehen, sondern Fragen stellen. Hinterfrage, warum etwas so getan wird, wie es getan wird.

Das kenne ich von mir und Du kennst es sicher auch: Wenn man etwas schon länger durchführt, dann ist das ein Automatismus. Das hinterfragen wir nicht.

Unser Gehirn spart Energie. Stell Dir vor, Dein Gehirn würde über alles ständig nachdenken.

In meinem konkreten Fall führen wir demnächst einen Workshop mit dem Lieferanten einer bereits genutzten Software durch, um diese umfangreicher in den Prozess zu integrieren. Ziel ist es einen großen Teil der nun sichtbaren Probleme zu beseitigen.

Wenn das alles so funktioniert, wie der Hersteller es verspricht, dann können wir uns einen großen Teil des für die neue Software geplanten Geldes sparen.

Prozesse messen & automatisieren

Wenn wir über das Thema optimieren sprechen, dann kommt mir ein weiteres Zitat in den Kopf: „Was Du nicht messen kannst, kannst Du nicht lenken.“ Ein Ausspruch, der Peter Drucker zugeschrieben wird. Peter Drucker gilt als Pionier der modernen Managementlehre.

Dokumentierte Prozesse sind die Voraussetzung für die Erhebung von Kennzahlen. Anhand der ermittelten Kennzahlen, kannst Du die Auswirkung von Veränderungen quantifizieren. Du kannst Vorher und Nachher vergleichen. Damit stellst Du fest, ob sich die gewünschte Veränderung eingestellt hat.

Wenn wir in meinem Fall beispielsweise das manuelle Übertragen von Daten beseitigen, können wir die Zeit für die Erstellung des Prozessergebnisses vorher und nachher ermitteln.

Prozesskennzahlen lassen sich am besten erheben, wenn der Prozess in einer Prozessmanagementlösung so weit wie möglich unterstützt oder gleich automatisiert wird. Einfaches Beispiel ist der Urlaubsworkflow:

Du trägst Deinen Urlaubswunsch ein, das System ermittelt Deinen Vorgesetzten, dieser gibt den Urlaubsantrag frei und das System entscheidet, dass auch die Geschäftsleitung einbezogen wird, weil Du mehr als vier Wochen Urlaub beantragt hast.

Kompliziertere Beispiele kennst Du aus Deinem ITSM-Prozesswerkzeug. Von dort kennst Du auch die vielen Kennzahlen, die völlig automatisch aus einem solchen System „purzeln“.

Zurück zum Messen und Optimieren. Mit Hilfe des Process-Mining-Ansatzes kannst Du nun die Abweichungen vom Standardprozess ermitteln und noch mehr als das offensichtliche Optimierungspotential heben.

Zum Thema Process Mining habe ich in Folge 7 mit Oliver Wildenstein gesprochen. Hör dort mal rein, wenn Du mehr wissen möchtest.

Jetzt lass uns bitte noch einen Schritt weiter gehen:

Digitalisierung

Was bedeutet das Schlagwort Digitalisierung für Dich? Es ist überall, wir denken wahrscheinlich gar nicht mehr darüber nach.

Digitalisierung bedeutet für mich eine neue Art von Geschäftsmodell. Geschäftsmodelle, die vor allem auf Daten basieren. Geschäftsmodelle, die aus eingegeben Daten irgendwas Hilfreiches generieren.

Beispiel gefällig?

Nimm Airbnb: Vermieter geben die Daten über ihre Wohnung ein. Potentielle Mieter geben ein, was sie suchen. Airbnb bringt beide zusammen und vermittelt einen Mietvertrag.

Nimm DriveNow: Eine App sagt Dir, wo das nächste Auto steht. DriveNow schickt Dir eine Rechnung für die gefahrenen Kilometer. Alles auf Basis von GPS- und Telemetriedaten.

Egal welches digitale Geschäftsmodell Du nimmst: Daten spielen eine große Rolle. Eine aus meiner Sicht genauso große oder größere Rolle spielt die Automatisierung und ständige Optimierung der Prozesse.

Stell Dir vor, bei Airbnb würde wie im Lufthansa CityCenter für jede Buchung ein Mensch Hand anlegen. Das Geschäftsmodell würde sich nie rechnen.

Ich postuliere: Dokumentierte Prozesse sind die Voraussetzung für digitale Geschäftsmodelle.

 

Jetzt sind wir beide auf dem Berg oben angekommen. Eigentlich sollte ich jetzt aufhören. Kann ich nicht. Es gibt noch einen fünften Grund, warum Du Dich für die Prozesse der Fachabteilung interessieren solltest:

Beim nächsten Mal hast Du es leichter

Nein, das Zitat aus einem Lied, was mir jetzt grad in den Sinn kommt, lasse ich weg. Du weißt sicher, was ich meine.

Es wird nicht das letzte Projekt sein, welches ich mit dieser einen Fachabteilung durchführe. Es werden neue kommen.

Du ahnst, worauf ich hinaus möchte?

Ja, alles was ich einmal dokumentiere, muss ich nicht wieder erfragen. Ich spare Zeit und bin beim nächsten Mal schneller.

Wie viel schneller hängt davon ab, ob es ein aktives Prozessmanagement gibt oder nicht. Gibt es eines, so kann ich die Prozesse nehmen. Die sind aktuell.

Gibt es keines, darf ich auf jeden Fall nachfragen, was sich zum letzten Stand geändert hat.

 

Fazit

Ich bin überzeugt, dass es sich für Dich lohnt, die Prozesse der Fachabteilungen zu kennen. Du erfährst so viel über sie und die Menschen. Damit kannst Du einen viel besseren Service anbieten,

Es lohnt sich nicht nur für Dich, sondern vor allem für Dein Unternehmen, denn:

  1. Transparenz ist wertvoll und die Grundlage für Verbesserung
  2. Messen, Vergleichen und Optimieren brauchen dokumentierte Prozesse und wenn die Kosten immer weiter gesenkt werden sollen, hast Du gar keine andere Wahl
  3. Automatisierung von Prozessen sorgt für Prozessqualität, weniger Kosten und Entlastung der Arbeitskräfte von, wie ich sie nenne, „Monkey-Work“ – Arbeit, die auch ein Affe verrichten kann
  4. Im meiner Welt ist Digitalisierung die (fast) vollständige Automatisierung von Prozessen zur Verarbeitung von Daten. Nur wenn Dein Unternehmen seine Prozesse kennt, diese misst und optimiert, kann es mit dem Wandel starten.

Aus diesen Gründen habe ich für mich entschieden, dass ich mir bis auf weiteres den Hut für das Prozessmanagement aufsetze. Mein Ziel ist es, dieses als Funktion im Unternehmen zu etablieren.

Das ist noch ein weiter Weg. Und da heute wohl in meinem Kopf Zitatetag ist, darf Konfizus nicht fehlen: „Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt.“

Um Dir den ersten Schritte zu vereinfachen, habe ich für Dich eine Excelvorlage für die Dokumentation der Prozesse Deines Unternehmens erstellt. Diese kannst Du immer wieder nutzen und bringst damit von Anfang an eine einheitliche Struktur in Deine Dokumentation.

Du findest die Vorlage in meiner Onlinebibliothek unter www.servicenerds.de/club. Du holst Dir einmal den kostenlosen Zugang und hast damit Zugriff auf alle meine kostenlosen Tools. Wenn ich ein neues veröffentliche, dann wirst Du es auch in der Bibliothek finden.

In der nächsten Folge spreche ich mit Dr. Rainer Feldbrügge über Prozessmanagement. Da erfährst Du was es mit den Kommunikationsmustern auf sich hat. Bis dahin wünsche ich Dir viel Spaß!

Robert Sieber
 

Robert Sieber ist Ex-CIO, Podcaster und Servicenerd. Seine Vision ist eine interne IT, die sich genauso einfach buchen, nutzen und bezahlen lässt, wie die Fahrt mit dem Taxi. Als Berater und Coach packt er ganz praktisch und pragmatisch bei seinen Kunden an, um echte Serviceorientierung zu dauerhaft zu etablieren. Robert Sieber vertritt einen pragmatischen und geschäftsfokussierten Weg für Service-Management. Als Berater sind für ihn gesunder Menschenverstand und offene Kommunikation wichtiger als Frameworks und Best Practices.

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