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4 Werkzeuge, die Dich beim Multi-Provider-Management erfolgreich machen

Der Vertrag mit dem Dienstleister ist schnell unterschrieben. Viele Organisationen machen sich keine oder zu wenig Gedanken darüber, wie die Integration des Providers funktionieren soll. Ich gebe Dir in dieser Folge vier ganz konkrete Werkzeuge, wie Du Dein Multi-Provider-Management erfolgreich gestaltest.


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Stell Dir folgende, leider reale, Situation vor: Nutzer ruft beim Service-Desk an und meldet, dass eine bestimmte Applikation nicht gestartet werden kann. Der Service-Desk wird von einem externen Dienstleister betrieben. Die Wartezeit ist gering, der Agent ist freundlich und nach wenigen Minuten hat der Nutzer sein Meldung abgesetzt.

Der Dienstleister, der den Service-Desk betreibt, betreibt gleichzeitig das Netzwerk für den Kunden. Da es auf den ersten Blick nicht nach Netzwerk aussieht, wird das Ticket zurück an den Kunden gesendet. Dort gibt es seit einiger Zeit eine Koordinierungsstelle, die nun versucht, den richtigen Dienstleister zu identifizieren.
Da es auch dort auf Geschwindigkeit ankommt, wird das Ticket schnell an den Applikationsbetrieb bei einem zweiten Provider weitergeleitet. Dazu geht der Mitarbeiter der Koordinierungsstelle in das Tickettool von Provider 2 und übertragt die Ticketdaten mit Copy & Paste.

Dienstleister zwei prüft alles und kann in der Applikation keinen Fehler feststellen. Alles läuft normal. Damit gibt er das Ticket an die Koordinierungsstelle zurück, mit dem Hinweis, dass es vielleicht am Citrix liegen kann.
Also nimmt ein Mitarbeiter der Koordinierungsstelle das Ticket und überträgt es in das dritte Tickettool beim dritten Provider. Der ist zuständig für den ganzen Rest der IT. Der wird das hoffentlich lösen.

Drei Tage später meldet sich ein Mitarbeiter des Providers drei beim Nutzer, um herauszufinden, was genau schief läuft. Das Ergebnis des kurzen Telefonats: der Nutzer kann sich via VPN nicht einwählen, um die Applikation zu starten. Somit geht das Ticket über die Koordinierungsstelle zurück an Provider eins, der das Netzwerk bereitstellt. Dort wird die Störung in wenigen Minuten gelöst.

Ende-zu-Ende denken

Drei Tage konnte der Nutzer nicht mit der Applikation arbeiten. Drei Tage, an denen der Nutzer einen Teil seiner Aufgabe nicht nachkommen konnte. Und am Ende des Monats freut sich ein SLA-Manager, dass er aufgrund der Vielzahl solcher Ticketlangläufer die Monatspauschalen an die Provider kürzen kann.

Jetzt stelle ich Dir die gleiche Frage wie in Folge 91 – was hat das Unternehmen von den Pönalen?

Auf jeden Fall drei Tage Arbeitsausfall in diesem konkreten Fall. Wie viel Produktivitätsverlust über den Monat insgesamt? Was bedeutet das an Verlust für das Unternehmen?

Pönalen sind in vielen Fällen kein geeignetes Mittel, um einen Provider zu steuern. Deswegen mag ich darauf nicht länger rumreiten. Ich möchte heute mir Dir darüber sprechen, was Du tun kannst, um ein wirklich gutes Serviceerlebnis für die Nutzer zu erreichen – auch dann, wenn die Serviceerbringung über mehrere Provider verteilt ist.

Die zwei wichtigsten Punkte, die Dir klar sein dürfen:

  1. Es geht immer um das Ende-zu-Ende-Erlebnis des Nutzers
  2. Du bleibst immer der Anbieter des Service und bist für dieses Ende-zu-Ende-Erlebnis verantwortlich

Dem Kunden und Nutzer darf es ziemlich egal sein, wie Du Deine Services produzierst: Ob Du alles selber betreibst oder ob Du einen, zwei, drei oder zehn Lieferanten mit Teilaufgaben beauftragst. Völlig egal, es kommt auf das Ergebnis an.

Ich formuliere es anders: Deine IT-Organisation ist dafür verantwortlich, dass Dein Unternehmen den vereinbarten Nutzen auch tatsächlich realisieren kann. Wenn Du das nicht sicherstellst und die Provider entsprechend steuerst, dann machst Du Deinen Job nicht gut.

Provider sind Lieferanten

Du merkst ich verwende die Begriffe Lieferant, Provider und Dienstleister völlig durcheinander. Das mache ich vor allem deswegen, weil ich etwas sprachliche Vielfalt haben möchte. So ein Überbleibsel aus meinem Deutschleistungskurs und meiner Affinität zur schönen deutschen Sprache *grins*

Mein Geschäftspartner Peter Bergmann spricht immer ganz konsequent von Lieferanten. Was er damit ausdrücken möchte, ist der Fakt, dass wir die Zulieferer (noch ein schönes Synonym) auch als solche behandeln sollen. In allen anderen Bereichen des Unternehmens gibt es Liefer- bzw. Einkaufsbedingungen. Dort wird aufgeschrieben, unter welchen Bedingungen mir ein anderes Unternehmen seine Produkte liefern darf. Die Formulierung habe ich bewusst so gewählt!

Diese Einkaufsbedingungen ersetzen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des liefernden Unternehmens und regeln die einzelnen Punkte natürlich im Sinne des Kunden. AGBs sind in der Regel immer zu Gunsten des Lieferanten formuliert. Wenn Du bei Google mal Einkaufsbedingungen eingibst, wirst Du viele Beispiele finden.
Bei ZF gibt es sogar spezifische Einkaufsbedingungen für informationstechnische Leistungen. 

In diesem konkreten Beispiel sind einige Aspekte für Projekten geregelt. Regelungen zu Betriebsleistungen habe ich nicht gefunden.

Du brauchst allgemeingültige Regeln für die Erbringung von Betriebsleistungen, wenn Du diese bei einem oder mehreren Providern einkaufen möchtest. Das ist aus meiner Sicht die Grundlage, um Deiner Ende-zu-Ende-Verantwortung gerecht zu werden.

Irgendwann habe ich diesen Regeln mal den Namen „Outsourcing-Governance“ gegeben. Dazu habe ich in Folge 32 mit Carsten Bliessen gesprochen. Zusätzlich habe ich für Dich einen Leitfaden zur Outsourcing Governance erstellt:

Bitte beachte, dass es nicht nur um die Zusammenarbeit von Deinem Unternehmen mit dem Provider geht. Es geht auch – vielleicht vor allem – um die Zusammenarbeit der Provider untereinander. Ich wünsche niemanden, dass das Eingangsszenario nochmal irgendwo Realität wird.

Denke bitte immer dran: Die Provider sind Konkurrenten und sie müssen in Deiner konkreten Konstellation zusammenarbeiten. Diese Wahrheit darfst Du nie vergessen.

Daher sind die Provider-Regeln oder Einkaufsbedingen das notwendige Fundament für die Zusammenarbeit. Damit daraus ein Haus mir Wänden, Zimmern und Dach wird, braucht es noch mehr.

Die Konsequenz ist: Du brauchst eine aktive Providersteuerung. Diese findet meiner Meinung nach auf drei Ebene statt. Du hast die strategische, taktische und operative Ebene. Also ganz klassisch.

Von Unten nach Oben

Lass uns mal unten anfangen – auf operativer Ebene.

Hier darf es Arbeitsgruppen geben, die sich mit ganz konkreten Aufgaben auseinandersetzen. Besetzt sind diese mit Vertretern aller Provider und natürlich aus Deiner Organisation.

Es gibt feste Arbeitsgruppen die regelmäßig oder bei Bedarf sich zusammenfinden. Ein Beispiel ist die Arbeitsgruppe für das Problemmanagement. Natürlich behauptet jeder Provider, er führt ein Problemmanagement durch. Das glaubst Du ihm auch. In einer Umgebung mit einem oder mehreren externen Lieferanten, wird es selten ein Problem aus Sicht des Kunden geben, welches einer allein lösen kann. Daher benötigt es einen festen Rahmen. Und dieser Rahmen ist eine Arbeitsgruppe.

Arbeitsgruppen

Die Arbeitsgruppe wird feste Mitglieder haben, die sich vor allem um die Identifikation, Problemanalyse und die Kommunikation in ihre eigene Organisation kümmern.
Auch der Problem-Owner sollte aus dem Kreis der festen Mitglieder kommen.
Die Menschen, die dann konkret das Problem bearbeiten, kommen entsprechend ihrer Expertise zeitweise zu dieser Arbeitsgruppe dazu.

Zusätzlich gibt es Arbeitsgruppen, die nur für einen bestimmten Zeitraum existieren. Beispielsweise bei der Bearbeitung eines Changes oder dem Design eines neuen Service.

Lass uns das Beispiel des Changes nehmen: es ist ein Change am Service geplant. Der Change muss noch nicht mal alle Provider betreffen, ich würde sie trotzdem alle involvieren. Für diesen Change braucht es einen Change-Owner. In vielen Fällen wird das jemand aus Deiner Organisation sein, da es wie immer um das Ende-zu-Ende-Erlebnis geht. Daher bietet sich die Rolle des Service-Owner in diesem Fall an.

Die Verantwortung des Change-Owners ist, dass der Change erfolgreich durchgeführt wird. Dementsprechend braucht er diese Arbeitsgruppe als Plattform zur Planung und Umsetzung des Changes.

Du merkst, ich adaptiere hier Arbeitsweisen, die wir heute unter hippen Begriffen wie „selbstorganisiertes“ oder „cross-functional“ Team kennen. Ja, weil wir eine, an die Situation angepasste Arbeitsweise benötigen, sonst kommen wir nicht vorwärts.

Foren

Auf der taktischen Ebene finden wir dann sogenannte Foren. In SIAM heißen die explizit Prozessforen. Für mich schränkt das den Fokus zu sehr auf das Thema Prozesse ein.

Selbstverständlich gibt es Foren, die sich mit den Prozessen beschäftigen. Typische Beispiele sind Incident-, Change- und Problemmanagement. Da gibt es sehr viel Abstimmungsbedarf zwischen Deiner Organisation und den Providern. Da wird es auch viele konkrete Eskalationen geben, mit denen sich die Foren beschäftigen, um das Ende-zu-Ende-Erlebnis hinzubekommen.

Im Falle des Problemmanagements bietet es häufig an, aus Forum und Arbeitsgruppe eine Plattform zu machen. Spart Zeit, Personal und sorgt für eine gleiche Richtung.

Foren kann es beispielsweise auch für Innovation, Weiterentwicklung oder technologische Themen geben.
Während eine Arbeitsgruppe operativ tätig ist, erwarte ich von einem Forum Richtung und Vorgaben, die in der Zusammenarbeit umzusetzen sind.

Lenkungsausschuss

Damit die richtige Richtung vorgegeben werden kann, dürfen alle Beteiligten das Ziel kennen. Das ist die Aufgabe auf der strategischen Ebene. Dort finden wir Boards. Auf Deutsch übersetze ich das mit Lenkungsausschuss.

Das ist die Instanz, in der die Führungskräfte Deines Unternehmens und der beteiligten Provider zusammenkommen. Dein Unternehmen vermittelt den Lieferanten, welche Ziele das Unternehmen hat, welche Anforderungen an die Services sich daraus ergeben und wie die Weiterentwicklung aussehen soll.

Zielstellung ist die Verpflichtung aller Provider auf Eurer Unternehmensziel und die sich daraus ergebenden Anforderungen auf höchster Ebene.

Das ist ein ganz wichtiges Element, denn wir wissen alle, dass auf der einen Seite der Fisch vom Kopf stinkt und auf der anderen, das Vorleben ein entscheidender Faktor für den Erfolg ist. Die Führungskräfte dürfen ihren Mitarbeitern vorleben, wie die sich gegenüber dem Kunden verhalten sollen.

Du kannst auf der strategischen Ebene je nach Bedarf, weitere Boards etablieren. SIAM spricht von strategischen, taktischen und operativen Boards. Was sinnvoll ist, hängt von Deiner konkreten Situation ab.
Wenn Dein Unternehmen groß ist und ihr große Provider engagiert, dann ist es sicher sinnvoll, wenn es Plattformen gibt, auf denen sich das mittlere Management austauscht, bevor alles auf Vorstandsebene landet. Das wäre ein taktisch orientiertes Board. Ein Beispiel für ein operatives Board ist das Change-Advisory-Board.

4 Werkzeuge

Egal welchen Namen Du den Plattformen gibst, es kommt beim Multiprovider-Management auf folgende Punkte an:

  1. Du brauchst klare Vorgaben für die Zusammenarbeit mit Deinen Lieferanten, die vor Vertragsschluss von allen Seiten akzeptiert sein müssen
  2. Du brauchst eine Organisation, die in der Lage ist, die Provider pro-aktiv zu führen und auf die Unternehmensziele auszurichten.
  3. Du hast die Verantwortung für das Ende-zu-Ende-Serviceerlebnis Deiner Nutzer und Kunden
  4. Du darfst Plattformen schaffen, auf denen alle Beteiligten zusammenkommen und miteinander arbeiten. Diese brauchst Du auf strategischer, taktischer und operativer Ebene

Wenn Du diese vier Punkte beherzigst, dann wirst Du viel erfolgreicher sein, als wenn sich Deine Providersteuerung einzig auf Eskalation und Pönalen stützt.

Robert Sieber
 

Robert Sieber ist Ex-CIO, Podcaster und Servicenerd. Seine Vision ist eine interne IT, die sich genauso einfach buchen, nutzen und bezahlen lässt, wie die Fahrt mit dem Taxi. Als Berater und Coach packt er ganz praktisch und pragmatisch bei seinen Kunden an, um echte Serviceorientierung zu dauerhaft zu etablieren. Robert Sieber vertritt einen pragmatischen und geschäftsfokussierten Weg für Service-Management. Als Berater sind für ihn gesunder Menschenverstand und offene Kommunikation wichtiger als Frameworks und Best Practices.

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