Schaffe Klarheit und keine Verwirrung!

Produktteams, Product-Owner, Produktentwicklung - langsam könnte man den Eindruck gewinnen, dass sich die IT zum Produktionsunternehmen wandelt. Wenn da nicht die Services wären. Am besten beides in einem Unternehmen, damit die Verwirrung komplett wird. Heute beschäftigen wir uns mit dem Unterschied zwischen Produkt und Service und ich plädiere für eine klare Festlegung.


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Am Montag hatte ich einen Workshop zum Thema Service-Owner mit 12 Teilnehmenden aus unterschiedlichen Unternehmen. Ich hatte bewusst das Thema „Service oder Produkt“ aus dem Inhalt des Workshops gestrichen.

Allerdings war das bei der Mehrzahl der Teilnehmenden im Unternehmen ein Thema. Da wird die Produktwelle geritten. Bitte verstehe mich richtig – ich habe damit kein Problem. Nenn das Ding, wie Du möchtest. Nenn es so, wie Du die höchste Anschlussfähigkeit in Deinem Unternehmen erreichst. Wenn dann ein Produkt „Ableseservice“ heißt, dann zaubert mir dies ein Lächeln auf die Lippen.

Mir ist es völlig egal. Ehrlich – zumindest, wenn Du es Service nennst. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass Nein, Spaß. Sorge für Klarheit und sorge dafür, dass nur einer der beiden Begriffe verwendet wird.

Lass uns mal ins Detail gehen, was Produkt, Service und digitales Produkt angeht. Ja, den Begriff digitales Produkt gibt es auch.

Ich möchte Dir anhand von zwei Beispielen den Unterschied zwischen Produkt und Service klarmachen. Erstes Beispiel außerhalb der IT. Es geht um das Auto. Schauen wir uns das klassische, althergebrachte Geschäftsmodell an. Autohersteller verkauft Autos an Kunden.

Auto kaufen

Schauen wir mal, was der Hersteller macht. Der Hersteller zeichnet verantwortlich für die Entwicklung und das Design des Autos. Der Hersteller produziert das Auto. Der Hersteller organisiert den Verkauf, wenn er es nicht selbst verkauft. Der Hersteller sorgt eine gewisse Zeit für Ersatzteile. Und wir als Kunden, wir kümmern uns das Bezahlen der Kfz-Steuer, die Versicherung, das Benzin, die Garage, die Werkstatt. Mit dem Kauf besitzen wir das Auto und wir haben das komplette Risiko.

Geht das Auto kaputt, bringen wir es in die Werkstatt. Ist es außerhalb der Gewährleistung oder lehnt der Hersteller die Gewährleistung ab, muss ich es bezahlen. Für all das muss ich selbst sorgen. Ich übernehme die meisten Risiken.

Auto nutzen

Nehmen wir jetzt Mobility as a Service. Anbieter wie Fahrdienste, fangen wir bei Taxi an, Uber, gehen wir weiter zu Carsharing-Diensten oder solchen Kleinbus-Diensten, die entsprechend über eine App gebucht werden können und die mich von A nach B bringen.

Ich als Anbieter muss das Auto kaufen. Vielleicht stelle ich das Auto auch selbst dafür her. Ich als Anbieter bezahle die Kfz-Steuer, bezahle die Versicherung. Ich bezahle das Benzin. Ich muss für Stellplätze sorgen. Irgendwo in der Stadt, gerade bei Carsharing, muss das Auto irgendwo stehen. Oder ich brauche Sammelplätze oder ich brauche Garagen.

Ich muss dafür sorgen, dass die Dinger immer auf dem aktuellen technischen Stand sind bzw. instandgesetzt werden, regelmäßig zur Durchsicht in die Werkstatt fahren. Wenn es ein Service ist, bei dem Menschen das Fahren übernehmen, dann muss ich die Fahrer stellen. Ich muss dafür sorgen, dass die geschult werden. Ich muss dafür sorgen, dass die einen Führerschein haben. Vielleicht brauchen sie einen Personenbeförderungsschein.

Ich brauche weiterhin irgendetwas zur Disposition. Sei es beim Taxi der Callcenter, die Taxi Deutschland App, oder eine andere Vermittlungs-App. Ich muss die ganze Flotte managen. Ich muss die ganze Flotte steuern. Das ist mein Job als Anbieter bei einem Service.

Mein Job als Kunde ist es, den Service zu nutzen und pro Nutzung zu bezahlen.

Das heißt, hier liegt das größte Risiko. Der größte Teil des Risikos liegt hier beim Anbieter, nicht bei mir als Kunden. Wenn ich einen Unfall baue und die entsprechend vertraglich vereinbarte Selbstbeteiligung bezahlen muss, dann übernehme ich ein Risiko. Klar, die Teilnahme am Straßenverkehr ist auch mit dem Risiko verbunden. Logisch. Aber dieselben Risiken habe ich beim Autokauf auch. Nur dass ich hier bei Mobility as a Service der größte Teil der Risiken aufseiten des Anbieters befindet.

Software kaufen

Schauen wir in die IT-Welt. Schauen wir uns Software an, weil auch da gibt es nach wie vor beide Modelle. Das  Kaufmodell und das Mietmodell.

Schauen wir uns das Kaufmodell an. Ich als Softwarehersteller muss die Software entwickeln und designen. Ich muss sie produzieren. Ich muss sie verkaufen. Oh ja, manchmal muss ich vielleicht auch etwas Bugfixing machen.
Wobei, das hängt auch immer ein wenig davon ab, wie die Verträge aussehen. Aber weiterentwickeln muss ich es nicht zwangsweise. Der Kunde hat ja schon bezahlt.

Ich als Kunde muss die Rechenzentrumsinfrastruktur betreiben. Ich muss die Software in meine Umgebung integrieren. Ich muss die Software betreiben. Ich muss die Leute schulen. Ich muss Anwendersupport zur Verfügung stellen. Ich muss mich den Hersteller kümmern.

Das heißt auch hier kaufe ich, damit besitze ich und trage den größten Teil des Risikos.

Der Hersteller ist im Zweifel fein raus. Der Hersteller, mancher Software, bringt jedes Jahr eine neue Version raus, verkauft sie jedes Jahr für neues Geld. Kann ein sehr einträgliches Geschäftsmodell sein, bei dem der Kunde die größten Risiken trägt.

Software nutzen

Schauen wir uns Software as a Service an. Wie sieht es da auf Anbieterseite aus? Die Software muss entwickelt und designt werden. Die Software muss produziert werden. Es muss ein Bugfixing stattfinden und es muss natürlich auch eine Weiterentwicklung stattfinden.
Die Menschen zahlen jetzt jeden Monat Geld für die Software. Die erwarten, dass weiterentwickelt wird. Ansonsten verliere ich Kunden.

Ich muss die RZ-Infrastruktur zur Verfügung stellen. Ich muss die Software entsprechend betreiben. Ich muss dafür sorgen, dass die Kunden geschult werden.
Ich muss dafür sorgen, dass es einen Anwendersupport gibt. Ich als Kunde. Ja, es bleibt definitiv die Integration in meine Umgebung. Und dann nutze ich die Software. Und auch hier zahle ich pro Nutzung.

Das größte Risiko, welches ich als Kunde habe, ist, dass der SaaS Anbieter plötzlich verschwindet. Wenn das wirklich eine richtige SaaS ist, die irgendwo in der Cloud läuft, der Anbieter macht zu und es ist von heute auf morgen nicht mehr verfügbar. Das ist für mich definitiv ein Risiko. Allerdings der größte Teil der Risiken befindet sich auch hier wieder aufseiten des Anbieters. Ich als Kunde nutze und zahle pro Nutzung.

Der kleine Unterschied

Du hörst oder Du siehst, es gibt ganz klar einen Unterschied zwischen einem Produkt und einem Service.

Ich verkaufe ein Auto, ich verkaufe eine Software versus, ich vermiete eine Software oder ich stelle einen Mobilitätsservice zur Verfügung. Hat viel damit zu tun, wer welches Risiko trägt, hat viel damit zu tun, wer welche Kosten trägt und hat viel damit zu tun, wie einfach ich es als Kunde habe.

Nun zum digitalen Produkt, zu dem Begriff des digitalen Produktes. Das klassische Beispiel für ein digitales Produkt sind Musik-Streaming-Dienste. Jedes digitale Produkt ist ein Service.

Warum? An diesem Beispiel wird es für Dich gleich ganz deutlich werden.

Digitales Produkt

Was brauche ich als Anbieter alles, damit ich ein ordentliches Musik-Streaming zur Verfügung stellen kann?
Als Erstes die App, das ist das, was die Leute sehen. Ich muss sie herstellen, pflegen und weiterentwickeln. Daher mag vielleicht auch der Begriff digitales Produkt kommen, weil es für viele aussieht wie: „Oh, das ist meine App, die habe ich gekauft oder dafür zahle ich, das ist ein Produkt.“

Damit das Musik-Streaming aber funktioniert, gehört noch mehr dazu. Ich brauche ein ziemlich gutes Backend. Dieses muss ich bereitstellen, betreiben und weiterentwickeln, damit das auch mit der wachsenden Hörerzahl Schritt hält.

Ich muss kontinuierlich Rechte für Musik kaufen, aktiv managen, sie wieder zurückgeben und dann die Musik herausnehmen, weil die Leute wollen ja auch immer neue Sachen haben. Das ist sicherlich ein sehr aufwendiger Prozess.

Wenn ich Rechte einkaufe, muss ich auch Gelder an die Rechteinhaber ausschütten. Diese ergeben sich beim Musik-Streaming aus den gestreamten Minuten. Das heißt, auch dafür brauche ich eine Verrechnungslogik, eine Verrechnungsmaschine, dass ich das dann entsprechend an die Rechteinhaber ausschütten kann.

Ich muss für mich Werbung machen, für mein eigenes Angebot. Gegebenenfalls, wenn ich einen werbefinanzierten Dienst habe, muss ich dafür sorgen, dass ich Werbeplätze verkaufe. Selbstverständlich muss ich mich auch die Nutzer kümmern, wenn die Fragen, Wünsche oder Probleme haben.

All das zusammen macht erst dieses Erlebnis Musik-Streaming aus. Und das macht es wiederum zu einem Service, der vielleicht als digitales Produkt bezeichnet wird.

Soweit zum grundsätzlichen Unterschied zwischen Service und Produkt. Ich bleibe dabei, dass es mir egal ist, wie wir das Kind nennen. Allerdings darf ich nicht davon ausgehen, dass das bei allen Menschen so ist.

Worte schaffen Klarheit

Es ist meist das Gegenteil: Worte sind bedeutungsvoll. Worte schaffen Wirklichkeit. Wir Menschen identifizieren uns mit oder über Worte. Worte sorgen dafür, dass andere Menschen oder auch Dinge einbezogen oder ausgegrenzt werden.

Ich denke, genau das passiert auch bei Service oder Produkt. Verstehen Menschen das Produkt so, wie ich das gerade dargestellt habe, dann ist das eine klare Abgrenzung, was dazu gehört und was nicht. Bei aller Kundenorientierung oder Agilität in der digitalen Welt – das größte Risiko trägt der Kunde.

Verwenden Organisationen beide Begriffe, sehe ich einen größeren Teil der Mitarbeitenden in einer leichten Identitätskrise. Warum ist das ein Produkt und warum meins ein Service? Was ist besser? Klar kann man postulieren und sagen, dass Produkte aus Services bestehen. Fein.

Aber was ist mit den Produkten, die wir für unsere Services benötigen? Beispielsweise die Firewall. Ist ein Produkt. Also bestehen Produkte aus Services, die wiederrum Produkte nutzen. Verwirrung pur.

Zumindest ist es das, was ich am Montag in dem Workshop erlebt habe. Bei vielen der 12 Teilnehmenden aus unterschiedlichen Unternehmen.

Digitale Produkte sind Services

Um aus der Falle herauszukommen, nutzen einige Protagonisten den Begriff „digitales Produkt“. Das findest Du unter anderem in IT4IT v3 oder auch im wundervollen Roman „Wertvoll!“. Dort steht in einem der Standpunkte: „Services sind digitale Produkte“.

Ich sehe das genau andersherum. Digitale Produkte sind Services. Wir haben damals beim Schreiben des Standpunktes ganz schön diskutiert und sind nicht auf einen gemeinsamen Nenner gekommen.

Das spannende ist ja auch, dass außerhalb der IT der Grundsatz gilt: „Alles wird Service“. Produktionsunternehmen streben danach, ihre Produkte mit weiteren Leistungen zu Service zu machen, den Kunden vom Risiko zu entlasten und so kontinuierlich mehr Einnahmen zu erzeugen.

Gehen wir in der IT mal wieder den Sonderweg?

Ich fürchte ja. Industrieunternehmen wenden immer mehr eine Servicesystematik auf ihr Geschäft an und entwickeln sich so weiter.

Entscheide Dich!

Ich denke, dass es Deinem Unternehmen hilft, wenn Ihr Euch für einen der beiden Begriffe entscheidet. Das schafft Klarheit. Egal für welchen. Ihr werdet wahrscheinlich in den meisten Fälle Produkte haben, die sich der Servicesystematik bedienen. Dann denk bitte dran, auch alles das, was wir im Service-Management kennen und für Deinen konkreten Fall sinnvoll ist, darauf anzuwenden.

Ich für meinen Teil bin und bleibe der Servicenerd. Wenn die Definition und die Etablierung der Rolle Service-Owner für Dich eine Hürde darstellt, dann wiederhole ich den Workshop Service-Owner am 4. September. Wieder online und live in einer kleinen Gruppe. Beim letzten Mal war der komplette Workshop innerhalb eines Tages ausverkauft. Entscheide Dich als schnell und sichere Dir Deinen Platz unter www.servicenerds.camp/workshops

Robert Sieber
 

Robert Sieber ist Ex-CIO, Podcaster und Servicenerd. Seine Vision ist eine interne IT, die sich genauso einfach buchen, nutzen und bezahlen lässt, wie die Fahrt mit dem Taxi. Als Berater und Coach packt er ganz praktisch und pragmatisch bei seinen Kunden an, um echte Serviceorientierung zu dauerhaft zu etablieren. Robert Sieber vertritt einen pragmatischen und geschäftsfokussierten Weg für Service-Management. Als Berater sind für ihn gesunder Menschenverstand und offene Kommunikation wichtiger als Frameworks und Best Practices.

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