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Bedrohte Geschäftsmodelle und Methodenfundamentalismus – warum neue ITSM-Methoden wertvoll sind.

Magst Du auch die Vielfalt? Ich meine die unterschiedlichen Methoden im IT-Service-Management. Eigentlich ist schon alles aufgeschrieben und kann für die konkrete Situation angepasst werden. Keine Frage. Warum ich es trotzdem spannend und wertvoll finde, dass es immer wieder neue Methoden im ITSM gibt, erzähle ich Dir in dieser Folge. Und ich zeige Dir, warum dadurch Geschäftsmodelle bedroht sind.


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Schon in einem der ersten Posts im Blog habe ich klargestellt, dass ich zu einem gut dosierten Einsatz von Standards, Frameworks und vor allem Best Practices „tendiere“. Ich halte nichts davon, dass eine Methode die einzig Glücklichmachende ist – ich bin überzeugt, dass das auch gar nicht funktioniert!

Der Stein des Anstoßes

Wies siehst Du das? Magst Du auch die Vielfalt?

Dann möchte ich Dich auf eine Diskussion in der XING-Gruppe IT-Service-Management hinweisen. Der Titel lautet „Noch eine Methode zu ITSM“. 

Warum ist mir das eine Podcastfolge wert?

Aus meiner Sicht lassen sich aus dieser Diskussion zwei Dinge herauslesen:

  1. Es wird sehr schnell eine Art Glaubensdiskussion: Meine Methode ist besser als Deine – oder „Ist doch schon alles da, was braucht es denn da Neues?“ Ich nenne das gern Methodenfundamentalismus.
  2. Der industrielle ITIL-Komplex (so nennte das der geschätzte Kollege Peter Bergmann) fühlt sich durch frei verfügbare Methoden bedroht. Er wird bissig.

Ja, ich runzle auch die Stirn, wenn ich etwas von einer neuen ITSM Methode lese oder höre. Eine ähnliche Frage hatte ich hier auch schon mal aufgeworfen. 

Du denkst vielleicht: Es ist doch schon alles da. Wir haben ITIL, ISO 20.000 und COBIT. Das reicht – da steht alles drin. Ich stimme Dir zu. Und ja, die sind alle auch für kleine Unternehmen anpassbar. Keine Frage!

Bier und Autos

Lass uns mal kurz die IT verlassen. Trinkst Du Bier? Letztes Wochenende gab es auf DRadio Wissen einen Beitrag über das deutsche Reinheitsgebot. Ein Wissenschaftler erklärte, dass aufgrund des Reinheitsgebotes kein großer geschmacklicher Unterschied zwischen den Biersorten gibt.

Trotzdem gibt es in Deutschland 5.000 bis 6.000 verschiedene Biere (Quelle). Klar, alle verwenden nur Malz, Hopfen, Hefe und Wasser.  Und trotzdem können sich viele Menschen trefflich darüber streiten, welches Bier besser schmeckt.

Anderes Beispiel: Autos. Wie Du weißt, auch ein hoch-emotionales Gebiet. 2015 gab es im deutschen Markt über 400 verschiedene Auto-Modelle (Quelle). Auch da sind die Grundbausteine ziemlich identisch: Fahrwerk, Motor, Getriebe und Karosserie.

Dass dem so ist, beweist der VW-Konzern trefflich mit seinem Baukastensystem. VW hatte 2013 bei den Kernmarken Audi, VW, Seat und Skoda 97 verschiedene Modelle mit mindestens 2123 Varianten (Quelle).

Jetzt frage ich Dich: Warum soll es gerade im Bereich IT-Service-Management anders sein? Warum sollen da nicht verschiedene Methoden aus den gleichen Grundstoffen koexistieren?

Zugang vereinfachen

Jeder Mensch hat seinen eigenen Zugang zu einem Thema. Mehr Methoden bedeutet, dass mehr Menschen ihren individuellen Zugang zum Thema IT-Service-Management finden können.

Von ITIL sind inzwischen viele Menschen abgeschreckt. Woran liegt das? Ich kann mir einige Gründe vorstellen:

  • Angst vor einem riesigen Projekt mit vielen Beratertagen
  • zu groß für das eigene Unternehmen
  • viel zu umfangreich mit den 5 Büchern
  • lange und teure Ausbildung notwendig

Dir fallen aus Deiner Erfahrung sicher noch mehr Gründe ein.

Egal, ob ich persönlich dem zustimme: Es genügt, dass es Menschen gibt, die das so sehen. Bei denen wird ITIL keinen Blumentopf gewinnen können.

Diese finden ihren Zugang vielleicht eher bei FitSM. FitSM positioniert sich als leichtgewichtiges Framework. Es hat nur 97 Seiten und sieht sich besonders für kleine und mittelständische Unternehmen geeignet.

Finde ich toll, denn so haben wieder mehr Unternehmen die Chance ein sinnvolles IT-Service-Management aufzubauen.

Für andere ist es wichtig, dass sie eine umfangreiche theoretische Ausbildung bekommen und dabei ein anerkanntes Zertifikat erreichen können. Auch nicht schlimm. Diese werden sich eher von der ITIL-Schiene nähern.

Wieder andere wollen vom „Was“ ausgehen und das „Wie“ ganz individuell gestalten. Für diese Kollegen kommen die ISO 20.000 und FitSM in die Wahl. Anderen wiederum bietet ITIL noch nicht genug vom „Wie“ und die landen bei YaSM mit seinen Prozesslandkarten.

Ich kann die Aufzählung mit Cobit, SIAM, und IT4IT fortsetzen. Ich denke, es ist Dir auch schon so klar geworden, was ich meine: Sie haben alle ihre Daseinsberechtigung. Sie bieten einen unterschiedlichen Weg des Zugangs zum Thema IT-Service-Management. Ich als Anwender kann auswählen, womit und wie ich starte.

Sie bieten im Detail einen individuellen Blick auf das Thema IT-Service-Management. Kennst Du mehrere der Methoden, so kannst Du mit dem Thema differenzierte und in mehr Varianten umgehen. Genau wie der Maurer, der 12 verschiedene Maurerkellen kennt. Zum Beispiel die Berliner Maurerkelle, die Bayrische oder die Englische. Je nach Einsatzzweck und Vorliebe.

Ich spreche immer vom Werkzeugkasten und genau so sehe ich das. Methodenfundamentalismus ist einfach nur unangebracht.

Ein weiterer Aspekt sollte die stetige Weiterentwicklung der einzelnen Methoden sein. Denn neue Methoden entstehen vor allem deswegen, weil jemand Defizite festgestellt hat und einen genügend großen Markt für eine Alternative sieht.

Genau hier darf der kontinuierliche Verbesserungsprozess aller Methoden-Herausgeber ansetzen, um die eigene Methode weiter fortzuentwickeln. Bitte in kleinen Schritten und nicht in großen Releasewechseln, die vieles anders machen.

Bedrohtes Geschäftsmodell

Da kommen wir am zweiten Punkt vorbei: dem industriellen ITIL-Komplex. Viele Unternehmen sind enttäuscht, dass sie trotz umfangreicher Qualifizierung der Mitarbeiter und dem Investment in viele teure Beraterstunden kaum einen Schritt vorwärts gekommen sind.

Viel mehr als Incident- und Change-Management ist selten geworden. Und selbst Unternehmen, deren IT Abteilung durch eine Vielzahl von ITIL-Prozessen geprügelt worde, merken in ihrer täglichen Arbeit nicht viel davon. Es kommt im Business einfach nicht an.

An diesem Punkt stellen sich viele die Frage, ob das Geld gut investiert war. Zumal ITILv3 scheinbar alles durcheinander gebracht hat. Alle wieder zur Schulung und jede Menge neue Prozesse – so kam das, glaube ich, bei vielen an.

Die Trainings- und Beratungsindustrie hat davon massiv profitiert. Wenn ich mir die Reaktion eines Diskussionsteilnehmers im Xing-Forum so anschaue, scheint dieses Geschäftsmodell  wegzubrechen. Das ruft natürlich Gegenwehr auf den Plan. Unter diesem Blickpunkt erklärt sich die heftige Reaktion.

Zurück zu der Frage vieler Unternehmen, ob sich die Investition in ITIL gelohnt hat und wie es jetzt weiter geht. Beurteilen können das natürlich nur die Unternehmen selber.

In einer solchen Situation kann es sicher nicht schaden, mal den Blick nach links und rechts zu schwenken. Beispielsweise kann das FitSM mit dem Self-Assessment ein guter Anker sein, um den Status quo zu ermitteln. FitSM-6 bietet eine einfache Excelliste, mit der Du den Zustand Deines ITSM ermitteln kannst. Ohne Berater und ohne Schulung.

Allein dafür hat sich aus meiner Sicht FitSM schon gelohnt.

Der Fisch stinkt vom Kopf

Das Grundproblem lösen alle Frameworks, Methoden oder Best Practices nicht. Ich habe beobachtet, dass häufig folgende Punkte fehlen

  • die Fokussierung auf das Unternehmen selbst und eben NICHT auf die IT-Abteilung – es dürfen das Unternehmen und die für das Unternehmen erbrachten Serviceleistungen im Mittelpunkt stehen und nicht die Prozessoptimierung der IT-Abteilung
  • klare, erlebbare Zielstellung – welche IT-Service-Struktur braucht das Unternehmen, wie soll diese zukünftig erbracht werden? Und dann die wichtigste Frage: Woran erkennt jeder Mitarbeiter, dass das Ziel erreicht wurde?
  • stringente Ausrichtung am Service – das bedeutet nicht nur Prozesse aufzuschreiben, sondern die richtigen Menschen dazu zu finden, die Organisation zu verändern, um wirklich dem Servicegedanken folgen zu können.

Drei Punkte, bei denen weder Methoden, Tools noch Berater die entscheidende Rolle spielen. Das sind Entscheidungen, die Dein Unternehmen für sich treffen und konsequent verfolgen muss. Berater und Methoden unterstützen Dich auf dem Weg – mehr können Sie nicht bewirken.  Der Hauptteil der Arbeit lastet auf Dir, Deinen Kollegen, Deinem Chef und Deinen Chef-Chefs.

Eine Moral?

Ich möchte diese etwas andere Folge für Dich zusammenfassen:

  • verschiedene Methoden im ITSM sind für Deinen Werkzeugkoffer wichtig, denn nicht jede Aufgabe lässt sich mit einem Hammer erschlagen
  • auch wenn schon alles vorhanden ist, was Du und ich für ein gutes IT-Service-Management brauchen, sind die unterschiedlichen Blickwinkel und Ansätze interessant
  • unterschiedliche Methoden bieten verschiedene Zugänge zum ITSM – schau Dir an, was für Dich passt
  • mache Deine Hausaufgaben, bevor Du Dich für Methode, Berater und Tools entscheidest – nur so kann das investierte Geld wirklich zu einer Verbesserung führen

 

Schau Dir mal die Diskussion auf Xing an und beteilige Dich dort oder gern hier in den Kommentaren!

 

Bildquellen/Copyright:

Robert Sieber
 

Robert Sieber ist Ex-CIO, Podcaster und Servicenerd. Seine Vision ist eine interne IT, die sich genauso einfach buchen, nutzen und bezahlen lässt, wie die Fahrt mit dem Taxi. Als Berater und Coach packt er ganz praktisch und pragmatisch bei seinen Kunden an, um echte Serviceorientierung zu dauerhaft zu etablieren. Robert Sieber vertritt einen pragmatischen und geschäftsfokussierten Weg für Service-Management. Als Berater sind für ihn gesunder Menschenverstand und offene Kommunikation wichtiger als Frameworks und Best Practices.

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