Der CIO als Prozessberater

Die Aufgaben des CIO sind vielfältig. Immer auch von der Größe Deines Unternehmens abhängig. Es kann allerdings niemals schaden, wenn Du als CIO den Blick auf die Prozesse Deines Unternehmens hast. Mindestens für alle Prozesse, die bei Dir in der IT vorbeikommen. Meist handelt es sich dabei um Digitalisierungsvorhaben. Spätestens hier darfst Du im Sinne der Anwender*innen tätig werden. Du hast garantiert auch schon die Erfahrung gemacht, was es bedeutet, mit halb garen digitalen Prozessen und Lösungen zu arbeiten. Genau darum dreht es sich heute in der Folge.


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Als Erste gebe ich Dir ein Update zur letzten Folge: Es ist tatsächlich so, wie ich angenommen hatte: Die Anbindung meines Kontos bei Bank 2 schlägt fehl, weil es kein Zahlungskonto entsprechend der PSD2 Richtlinie ist. Das haben mir inzwischen die beiden technischen Supports der jeweiligen Dienstleister bestätigt.

Allerdings ja nur, weil ich mich mit „dafür sind wir nicht zuständig“ und anderen Vorwänden nicht habe abhalten lassen und die beiden Banken dazu genötigt habe, bei ihren jeweiligen Dienstleistern mal nachdrücklich zu fragen. Die Vermutung konnte ich nur aufstellen, weil ich bei einem Dritten auf eine sinnvolle Fehlermeldung gestoßen bin. In meinem Fall war das meine Buchhaltungssoftware, die zumindest eine brauchbare Fehlermeldung zurückgab. Bei Bank 1 war die Meldung nur: geht nicht.

Die Rolle der IT

Damit biegen wir in die Kurve zur heutigen Podcastfolge ein. Vor einiger Zeit sprach ich hier im Podcast über die Rolle der IT. Damals hatte ich drei große Bereiche identifiziert:

Die letzte Folge gehört eindeutig zur Rolle des Service-Brokers. Mit einem kleinen Anteil Innovationskatalysator. Innovation bedeutet „Neues schaffen“. Also beispielsweise auch die Funktion des Multibankings. War die Bank 1 damit erfolgreich? Wenn Du mich fragst: Nein.

Warum nicht?

Das Detail ist wichtig!

Technisch mag das funktionieren. Allerdings ist die Usability nicht gut:

  1. Es gibt keine klare Information, auf welche Konten im Multibanking zugegriffen werden kann. Ein einfaches „Es ist ausschließlich die Einbindung von Girokonten möglich.“ ist kurz und für jeden verständlich. Mir scheint, da wurde die Fachlichkeit der Anbindung zu wenig aus Sicht der Nutzenden betrachtet.
  2. Es gibt keine sinnvolle Fehlermeldung. Die Nutzer*innen können damit nicht viel anfangen. Auch hier wurde die Fachlichkeit nicht sinnvoll übersetzt. Anstatt eines „Das Login bei Deiner Bank war nicht möglich.“ wäre ein „Das Konto, was Du verbinden möchtest, ist kein Girokonto. Die Anbindung ist ausschließlich für Girokonten möglich.“ viel besser zu verstehen. Ein Hinweis auf PSD2 wäre noch möglich, um die „Schuld“ auf eine höhere Instanz zu verlagern. Denn die Vorgaben gelten laut PSD2 nur für Zahlungskonten.

Die Innovation ist in einem unfertigen Stadium stehen geblieben. Ich bin mir sicher, dass sich das auch nicht ändern wird. Das Feature ist ja fertig und funktioniert.

Aus Sicht der Nutzenden nicht.

Ich möchte Dir mit zwei weiteren Beispielen verdeutlichen, was es bedeutet als CIO für Innovation und damit auch für die Digitalisierung des Geschäftes verantwortlich zu sein. Die Digitalisierung interner Prozesse und des aktuellen Geschäftsmodells von Unternehmen macht einen großen Teil der Arbeit im Bereich Innovation für viele IT-Abteilungen aus.

Hinter dieser Innovation stecken fast immer Prozesse. Prozesse, die in ihrer heutigen Form funktionieren. Manche gut, manche schlecht. Eine der wichtigsten Aufgaben bei der Digitalisierung ist, diese Prozesse zu überarbeiten. Dazu darfst Du herausfinden, ob diese Prozesse gut durchs Unternehmen laufen. Häufig ist das nämlich nicht der Fall. Unsere bestehenden Abläufe sind viel zu oft, um die bestehende Organisation gebaut und aus Sicht der Nutzenden nicht optimal und damit nicht effizient. Diese Baustelle kannst Du Dir beispielsweise mithilfe des Value-Stream-Managements anschauen und optimieren.

Deine zweite wichtige Aufgabe hierbei ist es, dass Du dafür sorgst, dass am Ende etwas Funktionierendes herauskommt. In Zeiten, in denen Anträge per Post durch die Welt geschickt worden und irgendwann per Post das Ergebnis zurückkam, spielte die User-Experience eine sehr untergeordnete Rolle. Die Schnittstellen waren klar: der Postbote. Alles, was dazwischenkam, war undurchsichtig.

Innovation begleiten

Das 1:1 in die digitale Welt zu übertragen, wird wenig erfolgreich sein. Damit Du Dir etwas darunter vorstellen kannst, habe ich zwei Beispiele mitgebracht, die Du als CIO in Deinem Unternehmen unbedingt verhindern musst.

Beispiel 1 spielt auch bei Bank 2 aus der letzten Folge. Ich will für die MSP-Support GmbH ein Tagesgeldkonto eröffnen. Ich starte den Onlineantrag auf der Webseite der Bank und schließe diesen mit dem Video-Ident ab. Aber irgendwie habe ich danach das Gefühl, noch nicht fertig zu sein.

Die Formulare, die ich als PDF bekomme, erwecken den Eindruck, als ob sie noch per Post zur Bank sollen. Auch weil ich im Antrag keine Möglichkeit hatte, die notwendigen Unterlagen hochzuladen. Ich bin unsicher.

Unsicherheit ist der schlimmste Zustand, den Du beim Kunden oder Nutzer hervorrufen kannst. Die Abbrecherquote steigt dadurch enorm und damit die Unzufriedenheit.

Also frage ich per eMail bei der Bank an, ob ich den Antrag noch senden muss. Ja, muss ich. Kam zügig die Antwort.

Schade. Warum gibt es diesen Medienbruch? Ist mir nicht verständlich, weil ich seit Jahren Bankkonten ausschließlich online eröffne.

Kleiner Exkurs: Tage später las ich einiges über Schriftformerfordernis bei Verträgen. Da wurde zufälligerweise das Eröffnen eines Bankkontos als Beispiel herangezogen. Kernaussage war, dass für das Eröffnen eines Kontos die Schriftform erforderlich ist, die Banken aber abkürzen. Ok, verstehe. Auch hier wieder: Eine deutliche Information, warum ich den Antrag ausdrucken und per Post senden muss, hilft mir damit klarzukommen.

Sh*t in – Sh*t out

Zurück zum Thema. Neben einem Handelsregisterauszug muss ich noch einen Transparenzregisterauszug beilegen. Ok, kein Problem, ich habe ja einen Onlinezugang zum Transparenzregister.

Kurz für Dich: Im Transparenzregister finden sich Informationen, wer an welchem Unternehmen wirtschaftlich beteiligt ist. Damit soll die Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung bekämpft werden.

Die Eintragung ging echt einfach und schnell. Deswegen war ich frohen Mutes. Zumal damals auch keinerlei Identifikation oder irgendein Nachweis erforderlich war.

Also loggte ich mich ein und suchte nach einer Möglichkeit, mir die Auskunft herunterzuladen. Mein Gedanke dahinter: Ich habe die Daten eingegeben, also werde ich sie auch herausbekommen.

Haha – weit gefehlt. Über einen etwas genervten Support erfuhr ich, dass ich dafür einen Antrag stellen muss. Wie lange die Bearbeitung dauert, konnte man mir nicht sagen. Nur, dass es aktuell länger dauere. Länger als was? Keine zufriedenstellende Antwort.

Ok, mache ich. Aber: Nach ein paar Tagen, bekam ich eine eMail mit einer Worddatei. Da nicht jeder eine Auskunft aus dem Transparenzregister bekommt, sollte ich über diese Vorlage mir selbst bestätigen, dass ich Auskunft bekommen darf. Ok. Mache ich. Natürlich fragte ich, warum ich als beherrschender Gesellschafter und Geschäftsführer mir selbst bestätigen soll, dass ich die Daten, die ich selbst eingetragen hatte, beauskunften darf.

Daraufhin bekam ich eine weitere Worddatei per eMail. Mit dem gleichen eMail-Text, was erst einmal für Verwirrung bei mir sorgte. Nachdem die aufgelöst war, habe ich dann auch diese zweite Vorlage genutzt, um mir zu bestätigen, dass ich eine Selbstauskunft über die Daten meines Unternehmens, die ich selbst eingegeben hatte, erhalten darf.

Es muss nicht alles fertig sein

Ich denke, Du verstehst, worauf ich hinauswill: Hier ist einfach etwas online gesetzt worden, was nur einen Teil der Anforderungen umsetzt. Ist das gut? Ja und Nein.

Ja, weil fertige Software natürlich so schnell wie möglich zum Kunden muss. Liegekosten sind zu vermeiden. Die Anwender*innen haben dadurch einen Nutzen. Gerade weil mit einer Gesetzesänderung viele Unternehmen einen Eintrag im Transparenzregister vornehmen mussten.

Nein, weil es für alle anderen Geschäftsvorfälle nur für Verwirrung sorgt. Auch hier hätten wieder einfache Worte geholfen:

  • Einen Menüpunkt Auskunft
  • Die Frage, ob es eine Auskunft zum eigenen oder zum fremden Unternehmen sein soll
  • Je nachdem dann der Hinweis auf das richtige Formular – von mir aus auch Word und eMail

Fertig. Ich hätte gewusst, was ich tun muss. Hätte mir Nachfragen erspart und es wäre für alle Beteiligten aufwandsarm gewesen.

Mach das Bild größer

Auch hier fehlt die Perspektive der Nutzenden. Genau das ist Deine Aufgabe als Prozessberater. Wenn die Fachabteilung um die Ecke kommt und möchte, dass der Antrag wozu auch immer online zur Verfügung steht, dann darfst Du frühzeitig danach fragen, was es sonst noch für Geschäftsvorfälle gibt. Meist hilft es mir, wenn ich mich dabei in die Situation eines Kunden oder Nutzers versetze.

Ohne vollständiges Bild läufst Du Gefahr, dass am Ende unzufriedene Nutzer*inne stehen – egal ob intern oder extern. Natürlich darf das schrittweise umgesetzt werden. Wichtig ist, dass die Nutzenden immer genau wissen, was sie zu tun haben und wie es weitergeht. Auch wenn nur ein kleiner Teil der Geschäftsvorfälle digital zur Verfügung steht.

Bei den Prozessen, die digital zur Verfügung stehen, darfst Du dafür sorgen, dass sie eine gute Usability und User Experience bieten und intern optimal durchlaufen können. So bringt die Digitalisierung einen Nutzen und sorgt für Fortschritt und Wachstum in Deinem Unternehmen.

Ich habe vor einige Zeit ein eBook zu dem Thema „CIO als Prozessberater“ geschrieben. In diesem erfährst Du ganz konkret und im Detail wie ich als CIO mit dieser Rolle umgegangen bin. Ich zeige Dir, wie Du in neun Schritten die heute skizzierten Probleme umgehst. Wenn Du das eBook haben möchtest, schreibe mir bitte eine Mail an robert@different-thinking.de – Da mir das jetzt gerade erst einfällt, habe ich dafür noch keine Downloadseite. Du siehst, auch hier ist nicht alles perfekt. 

Robert Sieber
 

Robert Sieber ist Ex-CIO, Podcaster und Servicenerd. Seine Vision ist eine interne IT, die sich genauso einfach buchen, nutzen und bezahlen lässt, wie die Fahrt mit dem Taxi. Als Berater und Coach packt er ganz praktisch und pragmatisch bei seinen Kunden an, um echte Serviceorientierung zu dauerhaft zu etablieren. Robert Sieber vertritt einen pragmatischen und geschäftsfokussierten Weg für Service-Management. Als Berater sind für ihn gesunder Menschenverstand und offene Kommunikation wichtiger als Frameworks und Best Practices.

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