Deine Lösung, mein Problem.

Nicht alles, was nach einer guten Lösung für ein Problem aussieht, ist eine gute Lösung das Problem. Klingt paradox und erklärt sich aus den unterschiedlichen Perspektiven, auf das Problem. Die Lösung muss nicht nur zum Problem passen, sondern auch zu den Menschen, für die, die Lösung gedacht ist. Eine noch so tolle Lösung, die alles komplizierter macht, ist nichts wert. UND: Die Lösung muss auch das richtige Problem angehen.


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Die Tage bin ich über einen Post auf LinkedIn gestolpert. Eingangstür zu einem Geschäft und anstatt der Öffnungszeiten war da ein QR-Code. Also, wenn ich jetzt wissen will, wann das Geschäft öffnet, muss ich mein Handy herausholen, entsperren, die Kameraapp starten, auf den QR-Code fokussieren, auf den Link klicken und erst dann weiß ich, wann der Laden öffnet.

Mmh. Vielleicht bin ich zu wenig digital Native, aber mir ist das zu viel Aufwand.

Aus Sicht des Ladeninhabers ist das natürlich eine feine Sache. Ändern sich die Öffnungszeiten, dann braucht er das nur einmal im Internet ändern. Insbesondere hilfreich, wenn der Laden ein großes Einkaufszentrum mit vielen Türen ist.

Jeden, der den QR-Code scannt, kann ich fragen, ob er Pushnachrichten will, kann ihm Sonderangebote präsentieren oder für den Newsletter einen Gutschein versprechen. Oder, oder, oder.

Aus Sicht des Anbieters eine echt großartige Lösung. Aus meiner Sicht als Nutzer viel zu kompliziert. Deine Lösung, mein Problem.

Was mich immer wieder aufregt, ist das, was nach <STRG><S> in Word passiert. Früher war ich mit, ich glaube, es waren drei Klicks, fertig. Datei lokal gespeichert. Heute sind es mindestens fünf Klicks. Die Benutzerfreundlichkeit hat dadurch gelitten. Hat bestimmt seinen Grund. Auch hier: Deine Lösung, mein Problem.

Problemkind Self-Services

Thema Self-Service-Portal: Wir haben an der Hotline zu wenige Menschen, die Wartezeit ist hoch und die Leute meckern. Lösung: Self-Service-Portal, über das die Nutzer Ihre Tickets selbst öffnen sollen. Problem gelöst, die Hotline ist nicht mehr überlastet. Deine Lösung, mein Problem.

An dem Beispiel wird es sehr gut deutlich: Wir haben ein Problem: Die Menschen sind unzufrieden mit der IT-Hotline.

Warum? Weil sie lange darauf warten müssen, bis sie mit jemandem sprechen können?

Warum? Weil es für die Anzahl der Anfragen zu wenig Menschen an der Hotline gibt?

Warum? Weil wir viele Störungen haben und die Leute bei neuen Applikationen nicht geschult werden.

Siehst Du jetzt andere Ansätze, als ein Self-Service-Portal zu etablieren? Zumindest drängt sich die Idee mir nicht im ersten Schritt auf. Das Portal ist eine isolierte Sicht auf das Symptom. Machst Du das, dann löst Du für Dich das Phänomen der langen Wartezeit der Anrufenden. Du löst weder das Problem an sich, noch wirst Du zufriedenere Nutzer bekommen. Das grundlegende Problem wir nicht gelöst.

Zwei Ansatzpunkte, dass Problem zu lösen, wären einmal die Anzahl der Störungen drastisch durch geeignete Maßnahmen wie Problemmanagement, Monitoring oder Automatisierung zu reduzieren und für bessere Ausbildung der Nutzer durch Schulung oder Keyuser zu sorgen. Alles nur Beispiel.

Natürlich darfst Du an der Stelle auch noch ein, zweimal die Frage nach dem Warum stellen: Warum haben wir so viele Störungen? Warum werden die Menschen nicht geschult? Usw.

Problemorientierung

Es sind zwei Punkte, die hier aus meiner Sicht schiefgehen:

  1. Es fehlt die angemessene Analyse des Problems. Probleme manifestieren sich immer in Symptomen. Wen wir nur die Symptome bekämpfen, dann mag das zur Linderung führen, aber nicht zur Heilung. Genau wie bei Krankheiten.
  2. Es fehlt die Betrachtung der potenziellen Lösung aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Ganz oft ist es so, dass zwar lokal ein Optimum geschaffen wird. Dieses dann an anderen Stellen aber zu größeren Problemen führt. Unter anderem angesichts dessen behaupte ich ja, dass es keine IT-Kosten gibt.

Der QR-Code vom Anfang ist ein treffendes Beispiel für den zweiten Punkt.

Gerade bei uns mit der ganzen Technologie, den ganzen Themen rund um Digitalisierung und natürlich den Service-Management-Frameworks, besteht die Gefahr, dass etwas entsteht, was eine ganz tolle Lösung ist, aber für die, die damit arbeiten keine Verbesserung bringt – im Gegenteil.

Ich möchte mit diesem Impuls Deine Sensibilität steigern. Schau genau hin, was das eigentliche Problem ist. Schau genau hin, was Deine Lösung mit denen macht, die sie nutzen müssen. Egal, ob es um Prozesse, Tools, UI und natürlich auch Regeln sowie Governance geht.

Werkzeuge

Für Services gibt es zwei wunderbare Werkzeuge, die Dir dabei helfen. Das Eine ist die Customer Journey und das Zweite ist der Service-Blueprint.

In der Customer Journey schaust Du aus Sicht des Nutzers auf Deinen Service und erfährst, was er tut, warum er es tut, welche Probleme er hat und wie er sich dabei fühlt. Die Customer Journey wird auf Basis von halb-strukturierten Interviews oder Selbsterfahrung erstellt. Sie ist ein wunderbares Werkzeug, um bestehende Services zu analysieren oder einen Beitrag zur Entwicklung neuer Services zu leisten.

Der Service-Blueprint gibt Dir einen Blick auf die Aktivitäten des Nutzers, die für den Nutzer sichtbaren und unsichtbaren Aktivitäten des Serviceerbringers. Hervorragend geeignet, um Deine Leistung zu optimieren.

Zum Schluss noch ein Hinweis: Welche KPIs Du für das Beobachten Deiner Leistung auswählst, hat auch entscheidenden Einfluss auf die Schlüsse, die Du ziehen kannst. Beobachtest Du Aktivitäten oder Ergebnisse? Schaust Du nach Innen oder nach Außen?

Schaue ich mir beispielsweise an, wie viele Tickets der Helpdesk bearbeitet und fokussiere darauf, dass so viele Tickets wie möglich mit der gleichen Zahl an Agenten bearbeitet wird, dann wird sich für die Nutzer nicht viel verbessern. Messe ich Zahl, weil ich beobachten möchte, wie die Maßnahmen der Ticketvermeidung wirken, dann habe ich ein sinnvolles Ziel.

Also auch hier: Nimm bitte verschiedene Perspektiven ein und bewerte Deine Maßnahmen aus diesen.

Robert Sieber
 

Robert Sieber ist Ex-CIO, Podcaster und Servicenerd. Seine Vision ist eine interne IT, die sich genauso einfach buchen, nutzen und bezahlen lässt, wie die Fahrt mit dem Taxi. Als Berater und Coach packt er ganz praktisch und pragmatisch bei seinen Kunden an, um echte Serviceorientierung zu dauerhaft zu etablieren. Robert Sieber vertritt einen pragmatischen und geschäftsfokussierten Weg für Service-Management. Als Berater sind für ihn gesunder Menschenverstand und offene Kommunikation wichtiger als Frameworks und Best Practices.

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