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Was darf IT kosten?

IT kostet immer zu viel, oder? Warum wird das so wahrgenommen? Wie kommen wir da raus. Heute lege ich Dir meine Gedanken zu dem Thema dar.


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Lass es mich gleich vorweg sagen: ich weiß noch nicht wo wir mit dem Thema hinkommen. Ich denke heute mal laut nach. Wenn Du die goldene IT-Kostenformel erwartest, dann höre jetzt auf zu lesen. Die habe ich nicht.

Die Frage ist : „Was darf IT kosten?“ – Antworten wie „Auf jeden Fall weniger als sie heute kostet“ hast Du bestimmt so oder so ähnlich gehört. Ist eine solche Antwort hilfreich?

Wenn Du mich fragst: Nein.

Dennoch bin ich damit quasi wöchentlich konfrontiert.

Was ist Deine Antwort auf diese Frage?

Egal in welchem Kleid sie daherkommt: Outsourcing, Cloud-Services oder Skaleneffekte. Meist steckt das Thema Kosten dahinter. Ist auch nicht schlimm, denn keiner möchte mehr als nötig bezahlen.

Nur was genau ist jetzt nötig?

Was brauche ich als Geschäftsführer eines Unternehmens? Ich brauche ein CRM, eMail, Internet und die eine oder andere Fachapplikation. Wozu brauche ich Service-Management? Was habe ich vom Service Desk? Können wir darauf nicht verzichten? Oder kann das nicht einer von draußen billiger?

Was ich Dir damit sagen möchte: Je nachdem aus welcher Rolle wir das „nötig“ betrachten, sieht es anders aus.

Für Dich und mich ist klar, dass wir sinnvolle Abläufe im IT-Betrieb benötigen. Uns ist verständlich, dass wir beim Outsourcing vor allem in die Steuerung der Provider investieren müssen. Es braucht, wie bei jeder Art von Produktion, entsprechende Kern- und Stützprozesse.

Nimm einen Automobilhersteller. Der hat eine Produktionsplanung- und -steuerung. Er hat einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Marketing, Vertrieb, Händlerbetreuung und auch eine Art Service Desk – das sind die Werkstätten. Bei BWM gehören die meisten sogar noch zum Hersteller.

Was anderes ist es in der IT auch nicht.

Nur gehören die Prozesse und Funktionen beim Autobauer zum Kerngeschäft. Und der Autobauer hat gegenüber einer internen IT auch andere Freiheitsgrade. Er hat echte Kunden.

An dieser Stelle muss ich mich jetzt mal bremsen. Wie Du bemerkt hast, steckt in den paar Sätzen schon ziemlich viel drin:

  1. Der Autobauer verkauft ein Produkt. Das fertige Auto. Der Kunde kommt nicht auf die Idee zu hinterfragen, ob es denn eine Marketingabteilung braucht. Wenn Du ein neues Auto kaufst, fragst Du bestimmt auch „Wieso kostet das so viel?“. Dein gutes Recht. Du entscheidest, bei welchem Autobauer Du Dein Geld lässt. Der Preis ist sicher auch bei Dir ein Entscheidungskriterium.
    Die IT ist häufig Kostenstelle. Sie verursacht Kosten. 18 € hier, 1.560 € da und jedes Jahr 23.450 € für was weiß ich nicht und ein neues Irgendwas verschlingt mal so eben 125.000 €. 
  2. Der Autobauer hat echte Kunden. Das Produkt hat einen Preis. Er ist frei in seiner Preisgestaltung und tritt in die Verhandlung mit dem Kunden ein. Er erwirtschaftet Gewinne, die er wieder reinvestieren kann.
    Die IT ist häufig Kostenstelle. Die tatsächlichen Kosten sind dem „Kunden“ transparent.
  3. Der Autobauer lässt sich von seinem Kunden seine Prozesse, Werkzeuge und Personal nur indirekt bezahlen.
    Die IT ist häufig Kostenstellen mit transparenten Kosten für alles.

Bevor ich zu den drei Punkten zurückkomme, lass uns das mal aus Sicht des Geschäftsführers betrachten.

Dem Geschäftsführer ist es – zu Recht – egal, wie Du Deine Services erbringst. Er will dass es funktioniert. Und frei nach dem Motto „Da ist noch Luft drin“ ist es seine Pflicht die Kosten im Griff zu behalten. Und an der Stelle wird es dann paradox: Dem Geschäftsführer ist es nicht egal, wie Du Deine Services erbringst.

Im Gegenteil zum Autobauer spricht er nämlich ein Wörtchen mich, wenn es um Prozesse, Werkzeuge und Menschen geht. Zumindest wenn Du dafür Geld benötigst. Genau das meinte ich beim ersten Punkt – die IT arbeitet nach Time and Material und der Autobauer verkauft ein Produkt.

Wo führt das jetzt hin?

Drei Thesen kommen mir dazu in den Kopf:

  1. Es braucht ein gemeinsames Verständnis, was die IT im Unternehmen wert ist.
  2. Unternehmen müssen die gesamten Gestehungskosten für einzelne Produkte oder einzelne Prozesse betrachten.
  3. Die IT muss Produkte anbieten, mit denen sie einen moderaten Gewinn erwirtschaften kann, um sich zu refinanzieren und weiterzuentwickeln.

Was ist die IT wert?

Im Vertrieb ist die Preisdiskussion ein Indiz für eines von zwei Dingen: Entweder der Kunde schätzt den potentiellen Nutzen wesentlich niedriger ein als der Verkäufer oder es ist ein Produkt in einem „Commodity Markt“.

Bei IT tippe ich auf die erste Variante: Es herrscht ein unterschiedliches Verständnis davon, was das Unternehmen durch IT-Unterstützung an Wert schafft. Oder es ist gar nicht sichtbar, welchen Beitrag die IT liefert.

Je weniger IT für die Herstellung der Produkte eines Unternehmens direkt notwendig ist, umso weniger Wert wird ihr zugestanden. Anders herum betrachtet: Je mehr IT-gestützte Prozesse Teil des Geschäftsmodells sind, umso offensichtlicher ist der Beitrag.

Stichwort: Digitale Geschäftsmodelle. Dort ist es mehr als offensichtlich.

In einem Beratungshaus, welches das Geld mit der Stundenleistung der Mitarbeiter verdient, dagegen viel weniger.

Ich denke, es braucht ein gemeinsames Verständnis. Es braucht die Diskussion im Unternehmen, wie viel IT man sich leisten möchte.

 

Prozesskosten

Das führt mich zur zweiten These: „Unternehmen müssen die gesamten Gestehungskosten für einzelne Produkte oder einzelne Prozesse betrachten.“

Investiert der Autobauer viel Geld in eine neue Produktionssteuerung und gewinnt dadurch die volle Flexibilität, unterschiedliche Modelle in beliebiger Reihenfolge auf der Produktionsstraße zusammenzusetzen, übersteigt der Gewinn die Kosten im Lebenszyklus bei weitem.

Es ist die Frage, was eine Investition an Stelle A für Auswirkungen auf die Kosten an anderer Stelle hat.

Lass mich ein anderes Beispiel bemühen: Durch den Einsatz von Self Services im HR steigt die Datenqualität, der Arbeitsaufwand in der Personalabteilung sinkt und es gibt positive Effekte in Bezug auf die Mitarbeiterzufriedenheit.

Jetzt darfst Du die gesamten Prozesskosten im HR Bereich betrachten und entscheiden, ob sich die Investition lohnt.

Vorher sollten wir noch schauen, ob es Sekundärnutzen gibt. Für HR bedeutet das vielleicht, dass die geplante Verdopplung des Personals im Unternehmen mit der gleichen Anzahl von HR-Mitarbeitern realisiert werden kann. Bedeutet, dass die Gemeinkosten nicht linear wachsen. Das ist eine gute Nachricht für jeden Geschäftsführer.

Produkte & Kunden

Und das führt zur dritten These: „Die IT muss Produkte anbieten, mit denen sie einen moderaten Gewinn erwirtschaften kann, um sich zu refinanzieren und weiterzuentwickeln.“

Du fragst warum? Weil Du diese Prozesskostenbetrachtung bestimmt schon heute durchführst, wenn es um Investitionen in Fachapplikationen und die IT-Unterstützung von relevanten Geschäftsprozessen geht.

Es ist auch jedem Geschäftsführer klar, dass sich das nur so betrachten lässt.

Die Diskussion um die Kosten gibt es meist nur, wenn es um die Prozesse, Werkzeuge und Mitarbeiter der IT selbst geht.

Weil Du keine Produkte anbietest.

Was verstehe ich jetzt unter Produkt? Ein Produkt ist eine erzeugte Ware oder Dienstleistung.

Die Produkte der IT sind Services.

Im besten Fall sind es geschäftsfokussierte IT-Dienste – also die von mir geliebten Business-Services.

Nicht der Server, nicht der Incident-Prozess und nicht das Monitoringwerkzeug. Das sind Hilfsmittel, die Du benötigst um Deinen Service zur Verfügung zu stellen. Genau wie der Autobauer das Fließband, die Roboter und die Marketingabteilung.

Ein Produkt hat Gestehungskosten und einen Preis. Der Preis ergibt sich im einfachsten Fall aus den Gestehungskosten plus Gewinn.

Genau Gewinn. Du brauchst den Gewinn.

Der Gewinn finanziert Dir die Weiterentwicklung des Incident-Managements, das neue Monitoringwerkzeug und den neuen Server. Dafür brauchst Du keine Freigabe mehr von der Geschäftsführung.

Dafür braucht es eine IT-Abteilung, die das Geschäft des IT-Service-Providings versteht. Die Betonung liegt auf Geschäft. Es braucht betriebswirtschaftliches, gewinn- und kundenorientiertes Denken und Handeln.

Es braucht noch viel mehr ein attraktives Angebot an Diensten und Leistungen. Zu Konditionen, die einem Vergleich am externen Markt standhalten können. Oder ein Angebot, was sich nicht am externen Markt vergleichen lässt. ;-)

Fazit

Ich finde es spannend, wo wir jetzt ausgehend von der Frage „Was darf IT kosten“, gelandet sind. Oder, was meinst Du?

Lass es mich zusammenfassen:

  • Eine Diskussion über die Kosten ist immer auch eine Diskussion über den Wertbeitrag der Ware oder Dienstleistung.
  • Solange dieser Wertbeitrag von den Beteiligten unterschiedlich bewertet wird, ist die Kostendiskussion sinnlos. Entschuldige, wenn ich es so ausdrücke.
  • Es ist hilfreich, die gesamten Prozesskosten in Deinem Unternehmen zu betrachten, um festzustellen, ob die IT-Kosten angemessen sind oder nicht.
  • Die IT darf Produkte anbieten, um die Diskussion auf eine unternehmensbezogene Sachebene zu heben. Eigentlich darfst Du nichts anbieten, was nicht einen direkten Bezug zu den Geschäftsprozessen hat.
  • Du musst mit Deinen IT-Produkten Gewinne erwirtschaften, damit Du Dich wie jeder andere Lieferant frei weiterentwickeln kannst.
  • Neben der Kundenorientierung brauchst Du betriebswirtschaftliches Handwerkszeug und Gewinnorientierung.

Puh. Ganz schön was zusammen gekommen. Und das führt mich wie bestimmt auch Dich zu der Frage: Wie setzen wir das um?

 

Die Frage werde ich in nächster Zeit erforschen. Ein paar Dinge habe ich ja schon implizit genannt:

  • Servicekatalog mit Business Services
  • Services mit direktem Bezug zu den Geschäftsprozessen
  • Ermittlung der Gestehungskosten und klare Verrechnung

Mal sehen was noch dazu gehört.

Was sind Deine Erfahrungen? Wie gehst Du damit um. Ich möchte gern mit Dir diskutieren – dazu gibt es zwei Möglichkeiten: entweder direkt unter dem Artikel oder auf dem SM-CAMP mit noch 26 anderen Servicenerds. Infos dazu natürlich unter www.sm-camp.org

Bildquellen/Copyright:

Robert Sieber
 

Robert Sieber ist Ex-CIO, Podcaster und Servicenerd. Seine Vision ist eine interne IT, die sich genauso einfach buchen, nutzen und bezahlen lässt, wie die Fahrt mit dem Taxi. Als Berater und Coach packt er ganz praktisch und pragmatisch bei seinen Kunden an, um echte Serviceorientierung zu dauerhaft zu etablieren. Robert Sieber vertritt einen pragmatischen und geschäftsfokussierten Weg für Service-Management. Als Berater sind für ihn gesunder Menschenverstand und offene Kommunikation wichtiger als Frameworks und Best Practices.

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