4

Funktioniert ein IT-Servicekatalog auch ohne interne Verrechnung?

Interne Verrechnung ist nicht gewünscht? Was nun? Wie übernimmt die Fachabteilung Verantwortung und kann die Kosten steuern? In dieser Folge beantworte ich wieder eine Hörerfrage und gebe Dir Tipps, wie Du mit einer solchen Situation umgehst.


den Podcast findest Du auch bei: iTunes - RSS - Spotify - Stitcher - YouTube - TuneIn - Google Podcast - Deezer - AudioNow - Amazon Music


„Funktioniert ein Servicekatalog nur, wenn die IT ein Profitcenter ist und es eine interne Verrechnung gibt?“, so lautet die Frage von Carsten.

Die Frage ist deshalb so interessant, weil Sie verschiedene Ebenen hat. Wir werden heute klären, was ein Cost- und ein Profitcenter ist, ob interne Verrechnung nur mit einem Profitcenter geht und was passiert, wenn es keine interne Verrechnung der Leistung gibt. Zusätzlich dürfen Du und ich uns klar machen, welche Ziele wir mit dem Servicekatalog verfolgen.

Lass uns mit dem letzten Punkt anfangen: Warum solltest Du Dir den Aufwand machen, einen Servicekatalog zu erstellen?

Nützliche Schmerzen

Zumal ich immer wieder behaupte, dass man dabei an allem vorbei kommt, was wirklich weh tut. Genau deswegen! Service Management hat nicht umsonst SM als Initialen. Es muss einfach wehtun.

Schau Dir die IT-Service-Canvas an. Elf der zwölf Schritte kannst Du immer gehen. Der abschließende Schritt ist die Verrechnung.

Die IT-Service-Canvas kannst Du Dir hier runterladen:

 

Gehst Du diese elf Schritte, gewinnst Du sehr viel. Du gewinnst Klarheit und Transparenz. In den ersten vier Schritten beschäftigst Du Dich mit Deinem Kunden. Du weißt wer Dein Kunde ist, Du weißt wer die Nutzer sind. Du kennst die unterschiedlichen Anforderungen der Nutzer und der Kunden. Du erfährst welche Geschäftsprozesse Dein Kunde hat, was ihn bewegt, was für ihn wichtig ist und wohin er sich entwickeln möchte.

Der Kunde und seine Welt

Du kennst die Ansprechpartner beim Kunden und hast regelmäßige Termine mit Deinen Kunden, um immer nah dran an der Entwicklung in der Fachabteilung zu sein. Und: Du verstehst, welchen Nutzen Deine Services aus Sicht des Kunden haben.

Die ersten vier Schritte sind unglaublich wichtig, wenn Du wirklich Partner der Fachabteilungen werden möchtest. Das Wissen um den Kunden und seiner Geschäftsprozesse ist dafür ausschlaggebend.

Der siebente Schritt bringt Dir Klarheit, mit welchen Menschen Du den Service designst, zur Verfügung stellst und dann betreibst. Also die ganzen Themen rund um Personal- und der damit verbundenen Kapazitätsplanung. Ein aus meiner Sicht immer wieder vernachlässigter Schritt. Es wird immer mehr und mehr. Die Antwort darauf ist meist: Wir brauchen mehr Personal. Und diese Forderung wird selten erfüllt.

Also darfst Du eine  andere Frage stellen: „Was können wir weglassen?“. Ich glaube, dass jeder von uns 20% von dem weglassen kann, was er gerade so alles an Aufgaben hat. Es wird niemand merken. Zumindest, wenn es die richtigen 20% sind. Und diese Frage kannst Du Dir regelmäßig stellen und so immer wieder bei Dir aufräumen.

Das können wir insgesamt in der IT-Abteilung, in unserem Angebot auch. Aber nur, wenn wir einen Servicekatalog haben. Wenn wir wissen, was wir anbieten und wie viele es nutzen. Denn einen Service, den keiner oder nur wenige nutzen, den kann man abschalten, braucht ihn nicht anzubieten.

Wenn Du weißt, was Deine Serviceerbringung kostet, dann kannst Du verschiedene Aufgaben auch auslagern. Darüber sprechen wir nochmal bei Punkt 11.

Der Servicekatalog und das damit verbundene Service Portfolio Management helfen Dir, Dich auf das wirklich wichtige zu konzentrieren.

Architektur

Beispielsweise die Service Architektur in Schritt 8. Eine Aufgabe, die jedes Mal für Schmerzen und für Aha-Erlebnisse sorgt. Wirklich zu wissen, was für die Erbringung eines Service notwendig ist, ist Gold wert. Nur die wenigsten Deiner Kollegen wissen das wirklich. Wenn Du einfach mal anfängst das am Flipchart aufzumalen, wirst Du viel neues Wissen gewinnen.

Diese Strukturen brauchst Du in vielen weiteren Disziplinen: Enterprise Architektur, Risikomanagement Deines Unternehmens, Sicherheitsmanagement, DSGVO, in Projekten und an vielen weiteren Stellen.

Zum Beispiel im nächsten Schritt, wenn Du Dich entscheidest, was Du intern und was Du extern produzieren möchtest. Und natürlich in Schritt 11, wenn Du ermittelst, was die Bereitstellung des Service wirklich kostet.

Allein dieser Schritt ist die Mühe auf jeden Fall wert. Du erarbeitest Dir die Klarheit, wo welche Kosten anfallen. Du gewinnst damit eine Steuerbarkeit Deiner IT, die heute kaum jemand wirklich hat. Wenn mal wieder jemand kommt, der 10% weniger IT-Kosten haben will, weißt Du wo Du vielleicht etwas sparen kannst.

Zusammenfassend gesagt: Mit einem Servicekatalog positionierst Du klar und transparent die Leistung der IT-Abteilung. Du sagst genau was ihr leistet. Welche Service bietet ihr mit welchem Funktionsumfang an. Dafür brauchst Du kein Preisschild dran kleben.

Du weißt genau, was Dich dieser Leistungsumfang kostet und wie viel Prozent Deines Budgets Du dafür aufwendest. Wenn mehr Leistung gefordert wird, weißt Du ganz genau wie viel mehr Budget notwendig ist und kannst es ganz genau darlegen. Und zwar auf Basis der geschäftsorientierten Dienste und definitiv nicht auf Ebene von Server und Storage.

Mit dem Servicekatalog positionierst Du die IT Deines Unternehmens genau an der Nahtstelle zwischen Business und Technologie. Du abstrahierst Eure Leistung von der technischen Ebene und redest mit Deinen Kunden in Business.

Es geht auch ohne!

Das alles funktioniert ohne Verrechnung und ohne Profit Center!

Ich spreche immer davon, dass auch die Fachabteilung Transparenz und Steuerbarkeit gewinnt. Diese beruht darauf, dass ihr transparent ist, was die IT-Leistung kostet und sie immer entscheiden kann, ob es der Leistungsumfang wirklich wert ist. Egal ob im Projekt oder als Service.

In dem Fall der Fachabteilung geht es um die Prozesskosten der einzelnen Geschäftsprozesse oder des gesamten Geschäftsmodells. Damit steuert die Fachabteilung die Höhe der Marge. Personalkosten, Materialeinsatz, Vertrieb, Marketing und die Prozesskosten auf der einen und der Verkaufspreis auf der anderen Seite.

Von daher nehme ich immer an, dass die Fachabteilung das wissen will. Auch ich weiß, dass Umlagen und Budgets sehr bequem sind.

Jetzt lass uns mal kurz die beiden Begriffe Cost Center und Profit Center anschauen.

Cost Center

Ich habe mal im Wirtschaftslexikon nach den beiden Begriffen nachgeschlagen. Zu Cost Center steht da:

„Ein Cost Center ist ein in sich abgeschlossener, organisatorischer und meist technisch orientierter Teilbereich eines Unternehmens, der im Gegensatz zu einem Profit Center aber keinen Zugang zum Markt hat.

Dementsprechend kann in einem Cost Center auch kein Gewinnziel gesteckt werden, da ja keine Erlöse aus Markttätigkeit anfallen.“

Der Cost Center hat also kein Gewinn- und Deckungsbeitragsziel, sondern das Ziel den Kostenplan bzw. das Budget einzuhalten. Es steht also die Effizienz der Leistungserbringung im Mittelpunkt.

Profit Center

Zum Profit Center steht da:

„Unternehmensbereiche haben Eigenverantwortung für Gewinne, Kosten und Erträge. Voraussetzung ist, dass eine Spartenorganisation vorliegen muss, die Marktzugang hat, damit Führungskräfte ihren Bereichserfolg/Spartenerfolg selbst beeinflussen können. Die Verantwortungsbereiche müssen nach Produkten/ Produktgruppen, für die die Führungskräfte verantwortlich sind, gebildet sein.“

In beiden Definitionen findest Du den Begriff des Marktzugangs. Spannender Punkt, da die interne IT-Abteilung keinen Zugang zum Markt hat. Zumindest nicht zum externen Markt. Daher ist Profit Center an der Stelle nicht der passende Begriff.

Service Center

Für den internen Markt wurde der Begriff des Service Center geprägt. Das Wirtschaftslexikon sagt dazu:

„Ein Service Center ist eine unternehmensinterne Organisationseinheit, die gegen Verrechnung, Leistungen an andere Kostenstellen abgibt. Damit will man den Unternehmergedanken innerhalb des Betriebes verankern. Ein Service Center soll sein Angebot nach der innerbetrieblichen Nachfrage ausrichten und seine Preise mit denjenigen äquivalenter Marktleistungen vergleichen.

Dabei ist sein Ziel, seine gesamten Kosten an die internen Abnehmer belasten zu können.“ 

Damit ist das Service Center eine besondere Form des Cost Centers, die je nach Ausrichtung auch als Profit Center geführt werden können.

Wie Du jetzt weißt, ist qua Definition ausgeschlossen, dass ein Cost Center eine interne Verrechnung durchführt. Allerdings ist es wie immer in der Realität: Alles und viele Zwischenformen sind möglich und treten auf.

Ich möchte es nochmal deutlich sagen: Weder Verrechnung noch die Ausprägung der IT als Service Center sind Voraussetzung für das Funktionieren eines Servicekatalogs in Deinem Unternehmen.

Ich bin überzeugt, dass eine Verrechnung es für alle Seiten einfacher gestaltet: Früher wurden auch Waren getauscht, bis das Geld eingeführt wurde. Der Tausch von Waren war aufgrund der Entwicklung einfach nicht mehr ausreichend.

Geld als Korrektiv

In unserem Wirtschaftssystem ist Geld die Tauscheinheit. Die Mehrzahl von Unternehmen, Abteilungen und Teams wird nach monetären Vorgaben geführt und bewertet. Alle sind mit dieser Prozedur vertraut.

Wir messen den Wert von Leistungen in der Regel in Geld. Wenn Du das auch auf die IT-Leistungen überträgst, kannst Du genau diese Wertdiskussion führen. Die Aufforderung 10% IT-Budget zu sparen, kannst Du mit der Frage „In welchen Bereichen wollen wir Leistungen einschränken?“ beantworten. So steigen Du und Dein Unternehmen in eine Diskussion ein, in der es sich um die Leistung für das Business dreht. Und nicht um ein abstraktes IT-Budget.

Was hältst Du von folgendem Satz: „Es gibt keinen IT-Kosten. IT-Kosten sind Teil der Prozesskosten der Fachabteilung.“ Wie jede andere Leistung auch, die die Fachabteilung für ihr Geschäftsmodell braucht.

Damit das funktioniert, brauchst Du ein Angebot auf Ebene der Welt der Fachabteilungen. Und das in einem Servicekatalog. Mit Servern, WLAN und Homeshare wird das nichts werden.

Jetzt kann die Situation in Deinem Unternehmen so sein, wie sie mir Carsten geschildert hat: Die interne Verrechnung ist nicht gewünscht. Dafür kann es viele Gründe geben. Ich glaube, es gibt sogar richtig gute Gründe, die interne Verrechnung nicht durchzuführen.

Ohne interne Verrechnung?

Jedoch glaube ich auch, dass es in der Mehrzahl der deutschen Unternehmen keinen sinnvollen Grund gibt, dies nicht zu tun. Die Gründe sind dann meist Vorwände, um Königreiche und Bestand zu sichern.

Da das Realität ist, fragt Carsten, wie er damit umgehen kann.

Und genau das ist für mich der besonders spannende Teil der Frage. Denn das ist ein Punkt, den ich bisher noch nicht so richtig durchdacht habe. Ich würde mich echt freuen, wenn Du in den Kommentaren mit diskutierst, wie wir trotz fehlenden Geldhebels die Fachabteilung in die Verantwortung nehmen können und Ihnen Transparenz und Steuerbarkeit bieten.

Ich habe dazu folgende Ideen:

Die erste Idee ist sowas wie ein Lenkungsausschuss bei Projekten. Dazu habe ich folgende schöne Definition gefunden:

„Der Lenkungsausschuss ist das verbindende Gremium zwischen Projekt- und Unternehmensorganisation. Seine Funktion und Rolle ist jedoch nicht einheitlich festgelegt. Es gibt im Wesentlichen zwei Interpretationen:

(1) Oberstes beschlussfassendes Gremium der Organisation eines einzelnen Projekts. Im Lenkungsausschuss eines Projekts sollten die Interessen aller Projektbeteiligten in geeigneter Weise vertreten sein. Vorsitzender des Lenkungsausschusses ist stets der Auftraggeber des Projekts. Der Auftraggeber fällt auch die an den Lenkungsausschuss herangetragenen Entscheidungen, die anderen Mitglieder haben nur beratende Funktion.

(2) Zentrales Gremium einer Organisation zur Steuerung des gesamten Projektportfolios. In einem zentralen Lenkungsausschuss zur Projektportfoliosteuerung sind Verantwortliche der Unternehmensführung vertreten. Über die Aufgaben eines Lenkungsausschusses für ein einzelnes Projekt hinaus hat der zentrale Lenkungsausschuss Verantwortung für das Projektportfolio als Gesamtes.“

Für unseren Fall, also die Steuerung des IT-Budgets, würde ich mich auf den zweiten Teil der Definition berufen wollen. Also die Steuerung des gesamten Serviceportfolios.

Service Portfolio Management

In ITIL gibt es den Prozess des Service Portfolio Managements. Service Portfolio Management nach ITIL® stellt sicher, dass der IT Service Provider einen den Anforderungen des Business entsprechenden Mix von IT Services wirtschaftlich zur Verfügung stellt.

Mmh, das ist mir zu sehr nach innen gerichtet. Ich müsste jetzt noch Business Relationship-Management und Demand Management hinzufügen. Das scheint mir etwas zu sperrig zu sein, lass uns deswegen mal pragmatisch draufschauen:

Im Service Portfolio Management gibt es die IT Steering Group. Die insoetwa wie der Lenkungsausschuss funktioniert.

Wenn Du nun dieses mit allen Vertretern der Fachseite besetzt und Euer Ziel es ist, die gemeinsame Verantwortung für die IT-Kosten zu übernehmen, dann könnte das was werden.

Der Aufwand wird ziemlich hoch sein, da Du Dich dann nicht nur bilateral mit den Stakeholdern abstimmen darfst, sondern die gesamte Politik zwischen den Fachabteilungen zu Tage tritt und ggf. auch in diesem Gremium ausgetragen wird. Könnte aber funktionieren.

Ob es hier wirklich zu Transparenz und zur Verantwortung der Fachabteilungen kommt, hängt sehr vom politischen Klima in Deinem Unternehmen ab. Daher wäre ich damit vorsichtig.

IT-Budget abschaffen

Die zweite Idee ist radikal: Schaffe das IT-Budget ab und stecke es direkt in die Fachabteilungen.

Ich meine das wirklich so! Das heißt, dass jede neue IT-Unterstützung durch die Fachabteilung direkt bezahlt wird. Du arbeitest genauso, als hättest Du eine interne Verrechnung, nur das Du keine monatlichen Preise kalkulierst. Die Fachabteilung bezahlt direkt die Kosten für das Projekt und die damit verbundenen Lizenzen, Hardware, Wartung, Subscription usw. beim Lieferanten.

Damit erreichst Du auf jeden Fall die Verantwortung der Fachabteilung für die Kosten und die Fachabteilung erhält auch die Steuerbarkeit.

Das würde so funktionieren. Dein Unternehmen darf auf jeden Fall darauf achten, dass die Hoheit über IT und die Governance unabhängig von der Töpfen, aus denen die Kosten bestritten werden, in der IT liegt.

Deine IT übernimmt nach wie vor die Rollen des Service-Broker, des Innovationskatalysator und Regelungsgeber.

Wenn keine interne Verrechnung gewünscht ist, dann bedarf es noch einer Lösung für die Infrastrukturkosten und die Gehälter Deines Personals. Da bleibt aus meiner Sicht ein quasi Basis-IT Budget. Aus diesem werden alle Kosten bestritten.

Soweit die zweite Idee. Da wird es im Detail noch mehr Fragen geben, die zu klären sind.

Und vielleicht hast Du auch noch andere Ideen. Schreibe diese bitte in die Kommentare gleich hier unten!

Bildquellen/Copyright:

  • servicekatalog-ohne-verrechnung: schuldnerhilfe | CC0
Robert Sieber
 

Robert Sieber ist Ex-CIO, Podcaster und Servicenerd. Seine Vision ist eine interne IT, die sich genauso einfach buchen, nutzen und bezahlen lässt, wie die Fahrt mit dem Taxi. Als Berater und Coach packt er ganz praktisch und pragmatisch bei seinen Kunden an, um echte Serviceorientierung zu dauerhaft zu etablieren. Robert Sieber vertritt einen pragmatischen und geschäftsfokussierten Weg für Service-Management. Als Berater sind für ihn gesunder Menschenverstand und offene Kommunikation wichtiger als Frameworks und Best Practices.

Click Here to Leave a Comment Below 4 comments