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Service-Portfolio-Management – eine unterschätzte Disziplin?

Das Service-Portfolio ist Dein Kommunikationstool zum Senior-Management.Du schaffst Transparent, wie die Geschäftsprozesse durch IT gestützt werden und Du kannst viele sinnvolle Diskussionen in Gang bringen.


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Seit ITIL v3 gibt es den Prozess Service-Portfolio-Management. Seit v3 2011 ist er halbwegs brauchbar im Buch beschrieben. Mein Gespräch mit Balint Ladanyi hat mich dazu gebracht, mich wieder mit dem Service-Portfolio-Mangement auseinanderzusetzen. 

Balint hatte ich in Wien auf einer Veranstaltung kennengelernt und mit ihm über das Service-Portfolio gesprochen. Am Ende der Folge hatte ich Dir schon gesagt, dass das Gespräch meine Sicht auf die Disziplin Service-Portfolio-Management ziemlich verändert hat. Was genau und warum, dass möchte ich heute auflösen.

Balint spricht davon, dass das Service-Portfolio ein Kommunikationstool zum Senior-Management ist. Er meint damit, dass das Portfolio aufzeigt, wie die Wertschöpfung des Unternehmens durch die IT abgebildet wird. Im Prinzip das, was ich als Business-Services verstehe – allerdings auf einer oder zwei Ebenen höher.

Die Theorie

Ich habe mir im Nachgang des Gespräches nochmal angeschaut, was im Buch zum Thema Service-Portfolio-Management steht. Ich kann nachvollziehen, dass mir das Ganze viel mehr als Verwaltungsorientierter Akt im Hinterkopf geblieben ist. Jedoch nach der inzwischen gewonnen Erfahrung lese ich auch diesen Bereich etwas anders. Es erscheint mir in der Version 2011 immer noch ein wenig akademisch. Die Beschreibung bleibt hinter dem zurück, was man allgemein unter Portfolio-Management versteht.

Grundsätzlich enthält das Service-Portfolio alle Services, die ein Provider plant, anbietet oder eingestellt hat. Somit erstreckt es sich über den gesamten Lebenszyklus des Service.

Der wirkliche Nutzen

Das Ziel ist, komplexe Zusammenhänge begreifbar zu machen und Entscheidungen zu treffen. Dabei werden Faktoren wie Kundennutzen, Strategie, Invest, Risiko, Marktanteile oder andere Werte in Korrelation gesetzt, um aufzuzeigen wo sich Chancen und Risiken verbergen.

Lass mich das in einem Beispiel verdeutlichen: Stell Dir vor Du bist der Service-Portfolio-Manager und schaust Dir die Services an, die gerade in der Planung sind. Du stellst fest, dass sind viel zu viele und möchtest diese priorisieren. Da könntest Du beispielsweise danach schauen, welchen Beitrag die einzelnen Services zur Unternehmensstrategie leisten und was die Herstellung und der Betrieb der Services voraussichtlich kosten würde.

Du zeichnest Dir nun eine Matrix mit vier Feldern. Die X-Achse gibt den Beitrag zu Unternehmensstrategie von niedrig zu hoch und die Y-Achse die zu erwartenden Kosten von niedrig nach hoch wieder. Du ordnest nun die einzelnen Services in die Quadranten. Der Quadrant, der die Services beinhaltet, die hoch zur Strategie beitragen und das zu niedrigen Kosten, die solltest Du wahrscheinlich als erstes realisieren. Das klingt auf den ersten Blick nach den sogenannten „low hanging fruits“ oder „quick wins“. Sicher darfst Du noch in ein paar mehr Dimensionen wie beispielsweise den Realisierungszeitraum und Abhängigkeiten untereinander reinschauen. Es ist allerdings schon mal ein super Hinweis.

Bewertung der Services in der Servicepipeline

Die Matrix sieht aus wie der Magic Quadrant von Gartner. Geht jedoch auf die BCG-Matrix zurück. BCG steht für Boston Consulting Group.

Diese Bewertung kannst Du jetzt an jeder Stelle im Lebenszyklus eines Service nach den unterschiedlichen Kriterien durchführen und so eine sinnvolle Grundlage für die Diskussion über Entscheidungen herstellen.

ITIL liefert Dir auch einige Ideen, welche diese Kriterien sein können und welche Entscheidungen daraus resultieren können.

Von allen Seiten betrachten

Möchtest Du beispielsweise die Priorisierung und Personalausstattung für Deine Projekte, den Betrieb, Budgetierung oder Lieferantenmanagement steuern, dann kannst Du das Portfolio Deiner aktiven Services nach den Kriterien Total Cost of Ownership (TCO) und Geschäftskritikalität bewerten. Du darfst noch definieren, wie sich die Geschäftskritikalität definiert und woraus sich die TCO zusammensetzen. Wenn Du das hast, dann kannst Du daraus folgende Handlungen ableiten:

  • Services, die eine niedrige Geschäftskritikalität und hohe TCO haben, solltest Du auf jeden Fall auf der Kostenseite Dir anschauen, welche Optimierungspotentiale es gibt und ob der Service noch gebraucht wird
  • Services mit hohem Geschäftswert solltest Du in Bezug auf Verfügbarkeit und Kapazität im Auge behalten, unabhängig von den TCO
  • Services mit hohem Nutzen und hohen Kosten, solltest Du auf jeden Fall regelmäßig und umfassend überprüfen

So kannst Du mit den Kriterien spielen und bekommst andere Blickwinkel auf Deine Services.

Katalog und Pipeline

Zum Serviceportfolio gehört der Servicekatalog. Besser gesagt: die Servicekataloge. Ein Servicekatalog ist eine Sicht auf das Portfolio, welches speziell für einen Kunden erstellt wird. Die Services im Katalog sind durch den Kunden buchbar.

Im meiner bisherigen Weltsicht war der Katalog das Portfolio und durch verschiedene Sichten bzw. Berechtigungen bildete sich die individuelle Sicht der jeweiligen Kundengruppe. Am Ende kommt das gleiche raus.

Die Service-Pipeline gehört ebenso zum Service-Portfolio und bildet die Services ab, die nicht aktiv sind. Also Services, die sich in einem beliebigen Status im Demand- oder Requirements-Management oder Service-Design bzw. Transition befinden.

Das Service-Portfolio-Management wird in der hier beschrieben Art und Weise eine größere Rolle spielen. Das explizit rauszustellen und den Nutzen klar zu machen, ist auch für Dich ein wichtiger Punkt. So kommst Du immer mehr in die Lage, zu agieren und nicht immer nur zu reagieren oder auf Dein Bauchgefühl hören zu müssen.

So viele Portfolios

Ich hatte ja auch schon einen Podcast zum Thema Projekt-Portfolio-Management (LINK). Und es gibt noch Portfolio-Management für Applikationen, Technologien, Risiken oder Skills. Da stellt sich mir die Frage, wie das zusammenspielt. Insbesondere bei Projekt, Applikation, Technologie und Service.

Siehst Du da auch ggf. widerstrebende Interessen bzw. Ergebnisse? Nehmen wir mal Projekt-Portfolio-Management. Wir alle führen jede Menge Projekte durch und wenn ein Projekt-Portfolio-Management funktioniert, dann werden dort nur die Projekte abgewickelt, die einen hohen Nutzen zu vertretbaren Kosten haben. Stellt sich mir die Frage, ob da auch die späteren Betriebskosten oder nur die Herstellungskosten betrachtet werden?

Ich sehe das wie folgt – bin mir dabei nicht sicher, ob die Sichtweise so in Ordnung ist; gib mir dazu bitte gern Dein Feedback.

In meiner Welt ist alles ein Service. Der Kunde hat eine Anforderung, die irgendwann in einem Service endet. Dabei nutzen wir das Mittel des Projektes, um diesen Service herzustellen. Brauche ich dann noch ein dediziertes Projekt-Portfolio-Management? Mir fällt gerade nichts ein, warum ich das trennen sollte.

Jetzt sagst Du vielleicht, dass die in den meisten Projekten IT nur ein Teil ist. Es gehören noch Änderungen der Prozesse, der Organisation und der Erwerb neuer Skills dazu. Ja, das ist so. Warum sprechen wir dann nicht über Enterprise-Services und betrachten das alles auf der Unternehmensebene? Denn auch da haben wir dann eine Betriebsphase, in der die neuen Prozesse gelebt und die Ergebnisse produziert werden. Danke mal bitte darüber nach.

Applikations-, Technologie- und Skill-Portfolio sind untergeordnete Portfolios, die Ihre Berechtigung haben. Natürlich darf ich aus Betriebssicht die eingesetzten Applikationen und Technologien bewerten. Natürlich darf ich schauen, wo ich Skills aufbauen muss. Das alles im Kontext der Services! Beispielsweise bei den Skills: Ausgehend von der Service-Pipeline darf ich schauen, ob ich die richtigen Menschen mit den richtigen Fähigkeiten an Board habe. Wenn nicht, kann ich dann frühzeitig handeln.

Stellt sich bei den Applikationen oder der Technologie heraus, dass die Anwendung xyz ein zu hohes Risiko darstellt, weil sie beispielsweise veraltet ist, dann endet das in einem Change Request zu den entsprechenden Services und wird im Service Design bewertet und nach Alternativen gesucht.

Du darfst darauf achten, dass die einzelnen Portfolios immer einem ganze dienen: dem Service.

Balint, ich danke Dir, dass Du mich dazu gebracht hast, mich mit dem Service-Portfolio-Management auseinanderzusetzen. Und genau deswegen liebe ich, was ich hier für Dich mache. Das nächste Ziel ist die Folge 111 – da möchte ich mal was anderes machen und bin gespannt, ob es funktioniert.

Robert Sieber
 

Robert Sieber ist Ex-CIO, Podcaster und Servicenerd. Seine Vision ist eine interne IT, die sich genauso einfach buchen, nutzen und bezahlen lässt, wie die Fahrt mit dem Taxi. Als Berater und Coach packt er ganz praktisch und pragmatisch bei seinen Kunden an, um echte Serviceorientierung zu dauerhaft zu etablieren. Robert Sieber vertritt einen pragmatischen und geschäftsfokussierten Weg für Service-Management. Als Berater sind für ihn gesunder Menschenverstand und offene Kommunikation wichtiger als Frameworks und Best Practices.

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