Horizontal, vertikal oder egal?

Die Schnittstelle zwischen den Nutzern und der IT ist ein ganz sensibles Gebilde. Auf beiden Seiten hohe und enttäuschte Erwartungshaltung. Unzufriedene IT. Unzufriedene Nutzer. Eine Hörerfrage wirft viel mehr Fragen auf, als Antworten. Deswegen heute ganz viel zum Nachdenken für Dich.


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Die etwas kryptische Überschrift geht zurück auf eine Frage, die ich von meinem Namensvetter Robert bekommen habe. Er hat mir eine lange Mail geschrieben. Folgender Auszug soll uns zum heutigen Thema hinführen:

„Die IT-Ansprechpartner können aber aus meiner Sicht nicht auf allen Ebenen der IT-Systeme Experten sein, weil IT ein weites Feld ist. Wenn ich z. B. einen zum Service-Verantwortlichen für das Lohnprogramm mache, kennt der die Prozesse der Lohnbuchhaltung ganz gut, hat aber wenig bis keine Ahnung von VMs und Storage. Das verstehen die Fachbereiche jedoch oft nicht. Für die ist IT eben IT. Letztens haben sie den ERP-Betreuer angemotzt, weil er das Problem in der Telefonanlage nicht beheben konnte.“

Robert hat vor allem Spezialisten in seinem Team. Er fragte mich ganz konkret: „Wie bringt man diese beiden Ansätze „IT ist eher horizontal aufgestellt“ und „Fachbereiche wünschen sich vertikale Betreuung“ zusammen? Geht das überhaupt?“

Ich hoffe, die Überschrift erklärt sich jetzt für Dich.

Das Erste was ich Robert schrieb, war, dass es von mir keine Blaupause gibt, die überall passt. Das gleiche gilt natürlich auch für Dich in dieser Folge. Wie immer habe ich Ideen und Anregungen für Dich.

Das Thema erstreckt sich über mehrere Ebene. Hier geht es um die Erwartungshaltung der Nutzer, das was das Unternehmen sich leisten möchte, den Schnitt der Services, die Organisation der IT, die Kommunikation und die Ablauforganisation innerhalb der IT. Vielleicht auch um weitere Aspekte. Wichtig ist, dass Du die Frage nicht eindimensional betrachtest.

Jede Änderung an einer Stelle hat Auswirkungen auf eine andere Stelle. Das dürfen wir im Blick behalten.

Was will der Nutzer?

Lass uns das jetzt mal aus Nutzersicht betrachten. Wir gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass der Nutzer möchte, dass ihm immer sofort und bei allem abschließend geholfen wird. Idealerweise mit einem IT-Mitarbeiter direkt an seinem Platz.

Hast Du die Annahme schon mal hinterfragt? Ich glaube, in den meisten Fällen ist das falsch. Ich nutze für den Blog und mein ganzes Business eine ganze Reihe von Tools. In den letzten Tagen habe ich ziemlich viel an meinen Webseiten gearbeitet und nebenbei wechsle ich auch mein ERP.
Ich hatte in den letzten Tagen auch viel Kontakt mit unterschiedlichen Supportorganisationen. Allen gemein ist, dass sie sich für eine zentrale Anlaufstelle entschieden haben. Also ich gebe mein Ticket meist über eine Chatlösung auf – in allen Fällen aktuell ohne Chatbot. Damit enden schon die Gemeinsamkeiten.

Der Hersteller eines Plugins bietet einen sehr guten Support. Ich kann mich darauf verlassen, dass ich innerhalb eines halben Tages eine Antwort bekomme. Wenn ich die Antwort bekomme, dann ist die Störung auf jeden Fall analysiert und ich bekomme fast immer eine Lösung oder einen Workaround an die Hand, mit der ich weiter arbeiten kann. Ist dem nicht so, dann werde ich über den weiteren Fortgang informiert.
Klar, ich kann in dem Moment, wenn die Störung auftritt an der Stelle nicht weiter arbeiten und ich weiß, dass ich innerhalb eines halben Tages eine qualifizierte Unterstützung bekomme. Das reicht mir.

Anderes ist es bei beiden Anbietern des ERPs. Da steht im Chat, dass die Agenten in der Regel innerhalb von x Stunden antworten. Ich kann Dir sagen: machen sie nicht. Es wird eine Erwartungshaltung geschürt, die leider in meinem Fall nicht eingehalten wird.

Ich glaube, dass die wirklich meisten Nutzer eine Stelle haben wollen, an der sie mit einem guten Gefühl ihre Anliegen los werden wollen und sich darauf verlassen können, dass sich innerhalb einer bestimmten Zeit jemand mit einer Lösung meldet.

Jetzt fang bitte nicht damit an, dass das bei der internen IT nicht so einfach ist. Weiß ich und es ist trotzdem kein Unterschied. Eine Lösung kann auch sein, dass man kommuniziert, das es länger dauert und warum.

Wie geht es weiter?

Denn die entscheidende Frage ist, wie es nach der Meldung der Störung weiter geht. Da wechseln wir von der Nutzerschnittstelle in die Ablauf- und Aufbauorganisation der IT. Das was dem Nutzer nicht transparent ist – was er auch gar nicht wissen muss. Er hat Anspruch auf einen funktionierenden Service.

Stopp, mir fällt gerade was ein, was Du nicht vergessen darfst: Was machst Du mit all dem Wissen, welches in der IT angesammelt wurde? Was machst Du mit dem Wissen aus der Fachabteilung?

Stichwort Knowledge-Base und Knowledge-Management. Wenn Du es hinbekommst, dass Wissen in einem Self-Service-Portal dem Nutzer aktuell und kontextsensitiv zur Verfügung zu stellen, dann können sich die Nutzer immer häufiger selbst helfen. Das führt zu mehr Zufriedenheit bei den Nutzern und zu weniger Arbeit in der IT.

Und auch hier gilt: Das ist kein Weg, den Du gehen musst. Beispielsweise der Pluginhersteller, von dem ich vorhin sprach, hat seine Knowledgebase abgeschafft. Früher war es so, dass ich nach der Eingabe des Anliegens eine Reihe von Artikeln angezeigt bekam, die passen könnten. Erst danach konnte ich ein Ticket eröffnen.
Warum das abgeschafft wurde, weiß ich nicht. Du darfst auf jeden Fall beobachten, was so ein Self Service mit den Nutzern macht. Wie gut ist die Trefferquote. Kann sich der Nutzer wirklich selber helfen, oder macht er nachher trotzdem ein Ticket auf? Hast Du überhaupt so viele sich wiederholende Anfragen? Wer hält das Wissen aktuell? Ganz viele Fragen.

Lass uns noch über das Wissen in den Fachbereichen sprechen. Immer mehr Fragen der Nutzer haben etwas mit den Prozessen oder der spezifischen Toolnutzung zu tun. Fragen, mit denen sich die IT häufig schwer tut. Was spricht dagegen, wenn Du ein Keyuser-Konzept vorschlägst und mit den Fachbereichen diskutierst? Diese Keyuser dann in Dein ITSM-System mit einbindest und so der Support besser und schneller funktioniert?

Organisation

Ok, jetzt aber zur internen Organisation. Die fängt ja schon beim Schnitt der Services an. Wie sind die Services definiert? Wie werden die Services erbracht – als Matrix oder in einem Serviceteam? Davon hängt maßgeblich ab, wie viel Ticket-Ping-Pong es gibt. Wie viele Menschen sagen können: „Bei mir geht alles!“.

Der Service an sich ist für Dich auch wichtig: Durch den weißt Du im Detail, was da überhaupt gemacht wird, welche Komponenten es braucht und wie das dann noch mit den Geschäftsprozessen zusammenhängt. Alles wichtige Informationen.

Oder nutzt Du den Swarming-Ansatz. Das heißt, jeder Mitarbeiter pflegt wozu er in der Lage und Willens ist, zu helfen. Der Helpdesk sucht sich dann die richtigen Personen raus. Die Anfrage kommt so direkt zum Experten und der Nutzer ist zufriedener.

Oder wir schaffen den Service-Desk gleich ab. Dafür gibt es feste Ansprechpartner – die Service-Owner – an die sich die Nutzer wenden können. So darf sich der Nutzer vorher klar werden, mit welchem Service er gerade ein Problem hat.

Oder wir mischen das.

Kommunikation

Du hörst, es gibt ganz viele Möglichkeiten. Damit Du das passende für Deine Organisation findest, rede mit den Nutzern. Rede mit den Kunden. Mach Dir danach klar, was das alles bedeutet und wie Du dahin kommst. Glaub mir, die Installation und Konfiguration des Self-Service-Portals ist der allerkleinste Teil bei der Einführung eines solchen Kanals.

Lass uns jetzt zum Schluss noch über die Kommunikation sprechen. Diese ist entscheidend. Wie oft und was wird kommuniziert. Wie gut informiert fühlt sich der Nutzer? Wie verlässlich sind die Kommunikation und die darin getroffenen Aussagen. Für mich eine ganz wichtige Komponente! Je besser das funktioniert, umso zufriedener sind die Nutzer.

Robert hat ein ganz wichtiges Thema angesprochen – ich danke Dir dafür. Ich hoffe, die Ansätze bringen Dich weiter.

Wenn Du auch eine Frage hast, dann schreib mir. Ich freue mich drauf!

Robert Sieber
 

Robert Sieber ist Ex-CIO, Podcaster und Servicenerd. Seine Vision ist eine interne IT, die sich genauso einfach buchen, nutzen und bezahlen lässt, wie die Fahrt mit dem Taxi. Als Berater und Coach packt er ganz praktisch und pragmatisch bei seinen Kunden an, um echte Serviceorientierung zu dauerhaft zu etablieren. Robert Sieber vertritt einen pragmatischen und geschäftsfokussierten Weg für Service-Management. Als Berater sind für ihn gesunder Menschenverstand und offene Kommunikation wichtiger als Frameworks und Best Practices.

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