Enterprise-Service-Management – Services für alle!
Der Wechsel von ITSM zu Enterprise-Service-Management ist wahrscheinlich wie der Wechsel von der Grundschule ins Gymnasium - jetzt können wir zeigen,was wir gelernt haben. ESM richtig begriffen und umgesetzt ist ein ganz klarer Wandel!
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich heute über ein uraltes Thema mit Bart mit Dir sprechen möchte. Es geht um das Enterprise-Service-Management. In meiner Wahrnehmung findet das in kaum einem Unternehmen wirklich statt. Ich sehe nur ganz wenige Unternehmen, die Service-Management beyond IT, wie man so schön sagt, betreiben.
Ich fürchte, dass ich vielleicht nur die wenigen Unternehmen kenne, bei denen ESM noch nicht etabliert ist und für alle anderen das ein alter Hut ist. Auch auf diese Gefahr hin, möchte ich heute mit Dir über Enterprise-Service-Management sprechen. Mein ungutes Gefühl wird durch eine IDG Studie gemildert. In der Studie wurde herausgefunden, dass nur 18% der befragten Unternehmen den Begriff ESM wirklich im Detail erklären können und damit verstanden haben, worum es geht.
Ich habe mich im Vorfeld durch das Internet geklickt und gelesen. Ich finde es sehr spannend, dass auf ganz vielen Seiten der prozessuale Teil ganz weit im Vordergrund steht. Also die Ausgestaltung von Abläufen. Wenn ich über Enterprise-Service-Management nachdenke, beschäftige ich mich zuerst mit der Frage, wer kann denn da wem was anbieten.
Was ist Enterprise-Service-Management?
Worum geht es beim Enterprise-Service-Management überhaupt? Im Allgemeinen scheint sich die Definition durchgesetzt zu haben, dass ESM die Anwendung bzw. Übertragung von Prinzipien und Fähigkeiten aus dem ITSM auf andere Geschäftsbereiche im Unternehmen ist. Als andere Geschäftsbereiche werden da meist Personal, Finanzen, Verwaltung und Legal genannt.
Unter den zu übertragenden Prinzipien und Fähigkeiten verstehen dann die meisten Quellen folgendes:
- Ticketing,
- Workflows und Automatisierung,
- Wissensmanagement und
- Self-Services
Das Ziel dahinter ist eine bessere Kundenzufriedenheit und effektivere Service-Erbringung.
Das klingt gut für Dich? Klar, es ist nichts gegen Effizienz einzuwenden. Alles was der Nutzer selber macht, erzeugt keine Kosten in der Fachabteilung. Das senkt die Kosten und das ist doch ein schönes Ziel.
Für mich steht hier der prozessuale Teil zu sehr im Vordergrund. Die interne Optimierung der Abläufe der Fachabteilung. Genau das, was wir in den letzten 20 Jahren in IT-Abteilungen erlebt haben. Die Auswirkungen erleben wir jeden Tag in unseren Unternehmen.
Service-Management ist ein Geschäft!
Wenn wir was aus dieser Zeit gelernt haben, dann, dass wir den Nutzen für unseren Kunden in den Mittelpunkt stellen dürfen. Nein, wir müssen. Jeder Serviceanbieter muss sich ein paar Fragen stellen:
- Warum gibt es mich?
- Wer ist mein Kunde?
- Was braucht mein Kunde von mir?
- Welche echten Probleme kann ich ihm lösen?
Dazu später ein paar mehr Gedanken. Vorher möchte ich noch auf den zweiten Punkt eingehen, der mich etwas stört – oder besser gesagt, den ich mehr, viel mehr betonen würde:
Service-Management ist keine Fähigkeit allein für interne Abteilungen und Leistungsbeziehung. Service-Management ist für mich eine Kernkompetenz eines Unternehmens, welches in Zukunft überleben möchte. Und wer will das nicht?
Dein Unternehmen wandelt sich
Wir sehen einen großen Wandel von Produkten zu Services. Die Anreicherung von Produktverkäufen mit Dienstleistungen. Den Wandel vom Besitz zum Nutzen.
Lass mich bitte dafür das Beispiel der Automobilindustrie nutzen. Ich weiß, das ist schon etwas abgetragen und trotzdem lässt sich daran wunderbar beobachten, was sich in unserer Welt verändert:
Bis vor vielleicht 10 bis 15 Jahren war es für einen großen Teil der Menschen in Deutschland ein Wert, ein Auto zu besitzen. Anfang der Neunziger wurden sogar noch Menschen danach beurteilt, mit welchem Auto sie vorfuhren. Das Auto war ein Statussymbol. Wenn der Nachbar nicht alle drei bis fünf Jahre ein neues Auto auf dem Hof stehen hatte, dann begann im Dorf das Gerede.
Der Führerschein oder das erste Auto waren sehr beliebte Geschenke zum 18. Geburtstag. Der Dienstwagen ein sehr beliebter Gehaltsbestandteil.
Inzwischen hat für weite Bevölkerungsgruppen das Auto als Statussymbol ausgedient. Der Anteil der Menschen, die zum 18. Geburtstag einen Führerschein haben, nimmt ab. Viele Menschen besitzen gar kein Auto mehr.
Warum auch? Das Bedürfnis hat sich verändert. Während hinter dem Besitzen von Autos Motivationen wie Status, Prestige und Ansehen stecken, ist es heute viel wichtiger, dass ich von A nach B komme, ohne den ganze Aufwand des Autobesitzes zu haben. Das heißt Bequemlichkeit, Geld sparen, Gesundheit, Umweltbewusstsein und auch die Neugier sind die dominierenden Motivatoren.
Nutzen steht im Vordergrund
Aus der Autoproduktion entwickelt sich ein Mobilitätsservice. Schau Dir die Daimler AG und BMW an – dort findest Du unterschiedliche Mobilitätsangebote:
- Car2Go und DriveNow als Car-Sharingdienst – jetzt zusammen unter der Marke Share Now
- MyTaxi als Vermittler von Taxifahrten mit dem Fokus auf Service und inzwischen zu Free Now mit ähnlichen Diensten gebündelt
- Reach Now mit für mich nicht eindeutig identifizierbaren Mobilitätsdiensten
- Park Now mit Diensten rund um das Parken
- Charge Now, welches die Infrastruktur für das Laden von Elektroautos besser nutzbar machen soll
Du siehst das sind entweder Dienste, für die der Besitz eines Autos nicht notwendig ist oder die sich damit beschäftigen, das Leben der Nochbesitzer einfacher zu gestalten. Alles Services.
Genau für diese Services brauchen wir Service-Management als Kernkompetenz im Unternehmen.
Ich glaube nicht, das sich die Gründer von MyTaxi als erstes überlegt haben, wie können wir unsere internen Prozesse optimal gestalten. Nein, die haben sich überlegt, welche Probleme haben die Taxikunden und wie können wir die lösen? Danach haben sie sicher die Frage beantwortet, wer ist bereit für die Leistung zu bezahlen. Und dann haben sie sich Prinzipien vom Service-Management bedient, um eine wunderbares Serviceerlebnis zu schaffen.
Genau dort dürfen wir beim Enterprise-Service-Management auch anfangen. Egal ob es um die internen Abteilungen geht oder das ganze Unternehmen im Wandel des Geschäftsmodells.
Wo ist Enterprise-Service-Management sinnvoll?
Lass uns der Einfachheit halber auf die internen Abteilungen konzentrieren. Welche Abteilungen bieten sich für Enterprise-Service-Management an? Lass uns bei den anfangen, die in großen Unternehmen häufig als Shared-Services bezeichnet und betrieben werden:
- Personalabteilung
- Rechtsabteilung
- Facility-Management
- Einkauf
- Buchhaltung
- Controlling
- Lieferantenmanagement
- Logistik
- Umweltmanagement
- Informationssicherheit und Datenschutz
Das sind die, die mir auf den ersten Blick einfallen. Lass uns nun mal in einige der Abteilungen im Detail reinschauen:
Enterprise-Service-Management in der Personalabteilung
Human Ressources ist wohl die Abteilung, an die die meisten denken, wenn der Begriff ESM fällt. Weil es ja ziemlich vergleichbar mit der IT ist. Egal wie, auch bei HR steht am Anfang die Frage, wer sind die Kunden? Diese Frage muss jeder Serviceerbringer beantworten! Versuchen wir es mal hier. Wer denkst Du, sind die Kunden der Personalabteilung?
Mir fallen die Unternehmensleitung und die Führungskräfte des Unternehmens ein. Du denkst an die Mitarbeiter? Da bin ich mir, genau wie in der IT, nicht sicher, ob die wirklich Kunde oder doch eher Nutzer sind. Ich denke, der Unterschied ist wichtig und ich möchte das jetzt hier nicht diskutieren.
Services der Personalbteilung
Im nächsten Schritt steht die Frage, welche Services bietet die Personalabteilung dem Unternehmen an. Die erste Iteration ist sicher einfach – da schauen wir, wie in der IT auch – von den Geschäftsprozessen. Da haben wir:
- Personalbeschaffung oder Recruiting
- Personalverwaltung
- Personalentwicklung
- Freisetzung von Personal
Schauen wir ein wenig tiefer in beispielsweise Recruiting rein, dann haben wir dort noch:
- Personalmarketing
- Management von Ausschreibungen
- Bewerbermanagement
- Onboarding
Nehmen wir die Personalverwaltung. Dort gibt es weitere Aufgaben und Prozesse:
- Aktenpflege
- Zeitwirtschaft
- Abrechnung
- Reisekosten
Und sicher noch einige mehr. Es gilt nun zu entscheiden, was sich sinnvoll als Service anbieten lässt – sprich ein Problem des Kunden löst oder ihn befähigt Dinge schneller oder besser als vorher zu erledigen.
Servicedefinition für HR
Ich kann mir vorstellen, dass es einen Service gibt, der „Mitarbeiter-Gewinnung“ oder so ähnlich heißt. Dieser umfasst alle Leistungen, um einen Mitarbeiter einzustellen. Zum Beispiel:
- Definition des Bewerberprofils und der Anforderungen
- Erstellen der Anzeigen für Print- und Online
- Beantwortung eingehender Bewerbungen innerhalb von 24 Stunden
- Erstbewertung der eingehenden Bewerbungen mit Empfehlung
- Organisation, Begleitung und Dokumentation von Bewerbungsgesprächen
- Erstellen des Arbeitsvertrages und aller notwendigen Unterlagen
- Planung und Organisation des Onboardings und der Einarbeitungszeit
- Begleitung der Einarbeitungszeit des Mitarbeiters
Die Leistungen lassen sich definieren und es lässt sich ein Preis pro ausgeschriebener Stelle kalkulieren. Damit habe ich dann einen schönen HR-Service. Die Leistungen sind geklärt, der Service löst definitiv einige Probleme und ist damit sein Geld wert.
Service-Requests der Personalverwaltung
Hast Du Deine HR-Services, dann geht es genau wie in der IT, weiter mit den zugehörigen Service-Request. Nehmen wir mal Personalverwaltung. Da wird es ganz viele Service-Requests geben:
- Urlaub beantragen und ändern
- Krankmeldung
- Entgeltbescheinigung anfordern
- Zwischenzeugnis erstellen
- Gehaltsverlauf anfordern
- Abmahnung ausfertigen
- Prämienbrief erstellen
Und noch viele mehr. Du merkst, die einzelnen Service-Requests haben unterschiedliche Zielgruppen.
Bei den genannten Service-Requests sind wir ganz klar in der Optimierung, Automatisierung und einem Self-Service-Portal mit Knowledgebase. Da liegt viel Potential vergraben. Bevor ich allerdings nicht die Services klar habe, wird es schwierig dieses in der Gesamtheit zu heben.
Enterprise-Service-Management in der Rechtsabteilung
Lass uns nun mal von HR zu Legal wechseln. Auch diese Abteilung sehe ich als einen klassischen Serviceanbieter. Auch hier fragen wir uns zuerst, wer sind die Kunden? Das sind, abhängig vom konkreten Unternehmen, die Geschäftsführung, der Einkauf, Projektleiter und alle, die mit Verträgen oder Geheimhaltungsvereinbarungen zu tun haben.
Und da sind wir schon beim ersten Service: Geheimhaltungsvereinbarung – das Erstellen und Überprüfen von Geheimhaltungsvereinbarungen. Daraus lassen sich folgende Service-Requests ableiten:
- Geheimhaltungsvereinbarung erstellen
- Geheimhaltungsvereinbarung überprüfen
- Geheimhaltungsvereinbarung kündigen
Und wahrscheinlich weitere ableiten. Diese lassen sich dann über ein Portal und entsprechende Formulare wunderbar erfassen und zum Teil automatisieren. Sie können nachverfolgt werden und wir können KPIs definieren, messen und auswerten.
Automatisierung im Enterprise-Service-Management
Lass uns mal bei der Automatisierung bleiben: Nehmen wir Geheimhaltungsvereinbarung erstellen. Du klickst drauf. Dann wirst Du gefragt wer der Vertragspartner ist, um welche Informationen und Daten es sich handelt und wie groß das Risiko für Dein Unternehmen ist. Du klickst auf Abschicken und einige Sekunden später steht Dir die fertige Vereinbarung zum Download zur Verfügung.
Die Rechtsabteilung macht nichts anderes als die Informationen in eine Wordvorlage einzutragen und Dir zu schicken. Das schreit förmlich danach automatisiert zu werden.
Du siehst, es gibt jede Menge Potential für Service-Management in Deinem Unternehmen – egal ob in den internen Abteilungen oder für das gesamte Unternehmen.
Bleibt die Frage, warum schlummert in so vielen Unternehmen dieses Potential? Sind die Erfahrungen mit dem Service-Management in der IT abschreckende Beispiele? Was denkst Du?
Wie mit ESM starten?
Ist die IT ein guter Ausgangspunkt für eine ESM-Initiative in Deinem Unternehmen? Ja und Nein. Das kommt aus meiner Sicht sehr auf das Selbstverständnis der IT an. Wenn ich mich als CIO auf die Optimierung meiner eigenen Prozesse konzentriere und der Nutzer oder Kunde eigentlich Ursache allen Übels ist, dann definitiv nicht.
Bin ich hingegen service- und kundenorientiert und habe ich als CIO den Nutzen von Services verstanden, dann bin ich auf jeden Fall ein wichtiger Treiber des Themas. Habe ich dazu noch das gesamte Unternehmen und vielleicht sogar die Endkunden im Blick, dann kann Deinem Unternehmen nichts Besseres passieren, als das der CIO persönlich das Thema ins Unternehmen trägt.
Es ist wichtig, dass alle Service-Management-Aktivitäten zusammenlaufen. Ich finde es hilfreich, wenn eine ganze Reihe von Aufgaben, Fähigkeiten und Funktionen gemeinsam erbracht werden. Ich denke da vor allem an die Eingangskanäle. Es darf eine Nummer, ein Self-Service-Portal und eine App oder einen Chat geben – egal welche Services ich als Nutzer konsumieren möchte. Das gehört einfach zur Serviceorientierung dazu.
Service-Funktionen zentralisieren
Aus meiner Sicht spricht auch nichts dagegen, wenn Service-Design, Change-Management, Kundenbetreuung oder Reporting alles aus einer Hand kommen – egal welche Abteilung der Serviceanbieter ist. In allen Fällen ist das gleiche Spezialwissen gefragt – warum soll ich beispielsweise Fähigkeiten zum Requirements-Engineering in verschiedenen Abteilungen vorhalten? Das kostet doch viel zu viel Geld. Viel besser ist es, wenn sich die Methodenexperten die Fachexperten holen und dann richtig gute Services designen.
Das ist dann bestimmt auch eine Grundlage, um die Services, die Dein Unternehmen seinen Kunden anbietet, auch professionell bereitzustellen und weiterzuentwickeln. Das wird für viele Unternehmen das Ziel sein – der Wandel des Geschäftsmodells.
Wie sind Deine Erfahrungen mit ESM? Wie sieht es bei Dir im Unternehmen aus? Schreibe gern in die Kommentare oder mir eine Mail.