Unternehmensinterne Service-Level-Agreements (SLA)

Niemand will SLAs! Zumindest nicht, solange alles läuft, wie erwartet. Aber dann muss ein SLA her, der genau alles festschreibt. Achtung Falle! SLAs sind nur dann ein gutes Steuerungsinstrument, wenn Du jenseits der üblichen Theorie genügend Gehirnschmalz investiert. Dann können alle Seiten davon profitieren.


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In den letzten drei Webinaren bat ich die Teilnehmenden, mir ihre Themenwünsche für den Podcast mitzuteilen. Als ich heute da durchscrollte, sprach mich der Eintrag von Eva an. Naja, vielleicht triggerte er mich auch ein ganz klein wenig. Sie schrieb: unternehmensinterne Service Level Agreements „mit Augenmaß“.

Was ist ein SLA?

Ein Service Level Agreement oder in Deutsch auch Dienstgütevereinbarung, kurz SLA ist eine Vereinbarung zwischen Dienstleistungserbringer und -nachfrager, in welcher Qualität eine bestellte Dienstleistung erbracht werden muss.
Soweit so kurz aus dem Gabler Wirtschaftslexikon .

Klar, ein am Markt übliches Instrument der Provider, um sich gegen die Forderungen der Kunden abzusichern. Das habe ich bewusst so formuliert, dazu komme ich später.

Wenn es um unternehmensinterne SLAs geht, frage ich als erstes immer: Wer ist auf die Idee gekommen, einen SLA zu schließen? Die IT oder der Fachbereich?

Wenn das klar ist, kommt die zweite Frage: Warum?

Die Antwort auf die beiden Fragen ist wichtig. Weil die Motivation einen Hinweis auf die eigentliche Baustelle gibt. Ich bin mir sicher, dass der Ruf nach einem SLA überwiegend ein Symptom für andere Baustellen ist.

Sind SLAs sinnlos?

Kommt die Forderung vonseiten der Fachbereiche, dann sehe ich meist zwei Ursachen:

  1. Irgendjemand hat den Leuten eingeflüstert, dass man das so macht.
  2. Es gibt Qualitätsprobleme mit der IT und es wird versucht, über dieses Instrument den Druck auf die IT zu erhöhen.

Egal, welche Motivation vorherrscht, es ist bei beidem ein untaugliches Instrument. Innerhalb des Unternehmens sind IT und Fachbereich so miteinander verzahnt, dass die übliche Systematik eines SLAs nicht funktioniert. Das Unternehmen schränkt den Handlungsspielraum der IT, beispielsweise durch das IT-Budget, stark ein. Die IT kann nicht frei entscheiden, was sie unternimmt, um den SLA einzuhalten. IT kann nicht den dafür notwendigen Preis verlangen. Es findet kein freier Austausch von Leistung gegen Geld statt.

Kommt die Forderung aus der IT, dann geschieht dies überwiegende aus zwei Gründen:

  1. Irgendjemand hat den Leuten eingeflüstert, dass man das so macht.
  2. Es wird versucht sich durch den SLA vor überfordernden Anforderungen aus den Fachbereichen zu schützen.

Hier soll der SLA widerspiegeln, was die IT unter den bestehenden Rahmenbedingungen leisten kann.

Absicherung um jeden Preis

Das grundlegende Übel eines SLAs offenbart sich hier in beide Situationen: Der SLA ist in erster Linie ein Risikomanagement-Instrument. Entweder wird versucht, das eigene Risiko – in dem Fall des Providers – zu begrenzen oder es wird versucht, sich gegenüber dem Provider in eine machtvolle Stellung zu bringen.

Beides ist nicht sinnvoll – schon gar nicht innerhalb eines Unternehmens. Im schlimmsten Fall vergiftet es die Beziehung. Grundsätzlich verschiebt es die Aufmerksamkeit in die falsche Richtung.

Um Dir das etwas verständlicher zu machen, erzähle ich Dir, was ich vor einigen Wochen selbst erlebt habe:
Wie Du vielleicht weißt, habe ich mit der MSP-Support GmbH ein Unternehmen, welches Service-Desk und Ticketbearbeitung als Service anbietet. Vor einigen Wochen kam ein Interessent auf mich zu und wollte als erster weitergehende SLAs vereinbaren, als wir anbieten. Dazu wollte er diese auch mit einer Pönale belegen.

Was habe ich getan: Im ersten Schritt haben wir intern geklärt, ob die Forderung erfüllt werden kann. Nachdem wir das ziemlich schnell bejahen konnten, habe ich mich darauf konzentriert, was passiert, wenn das mal nicht klappt. Ich habe meine Energie auf die Formulierung des SLAs fokussiert, um mein Unternehmen so gut wie möglich abzusichern.

Mein Anwalt hat mir ein achtseitiges Muster zur Verfügung gestellt, in dem quasi jeglicher Anspruch im Keim erstickt würde und es dennoch gut für den Kunden klingt.

Am Ende habe ich mich für ein kurze, aus meiner Sicht sinnvolle, Formulierung entschieden, die logischerweise das Risiko für mein Unternehmen reduziert und dennoch dem Kunden dabei hilft, sein Risiko ebenso zu behandeln.

Ich habe da einiges an Zeit reingesteckt. Genau das ist die Gefahr, vor der ich Dich warne.

SLA sinnvoll einsetzen

Worum geht es denn wirklich? Aus meiner Sicht wird in einem SLA das Ergebnis der gegenseitigen Annäherung im Hinblick auf die Qualität eines Service dokumentiert. Es geht um den Abgleich der Erwartungshaltung des Kunden mit dem, was der Provider leisten kann.

Drei wichtige Worte:

  • Erwartungshaltung
  • Qualität
  • Annäherung

Schritt eins, um zu einem sinnvollen SLA zu kommen, ist die Definition Deiner Services. Weil, Qualität funktioniert nur dann, wenn wir über einen konkreten Service sprechen. Die Qualität eines Services für die Lohnabrechnung hat andere Qualitätskriterien wie ein Service für die technische Konstruktion von Bauteilen.

Die üblichen Parameter eines SLA, wie Verfügbarkeit und Reaktionszeit, helfen NIEMANDEN weiter. Warum? Verfügbarkeit wird vorausgesetzt. Wir sind allways on. Wenn was schiefgeht, dann erwarte ich, dass meine IT alles dafür tut, dass es wieder geht. Die Diskussion, dass wir vier Stunden Reaktionszeit haben, ist sinnlos. Dazu habe ich mich schon mal in einem anderen Beitrag zu SLA und Pönalen ausgelassen.

Was ist Qualität?

Du darfst tiefer bohren: Was ist Qualität aus Sicht des Nutzers im Kontext des jeweiligen Service. Was erwarten die Anwender?

Die Erwartungshaltung klärst Du im Rahmen der Definition und Beschreibung des Service. Das ist der erste wichtige Schritt. Wenn Du die Erwartungshaltung kennst und mehr darüber weißt, was die Nutzer machen, dann bekommst Du eine Vorstellung davon, was Qualität sein könnte.

Selbstverständlich darfst Du das mit Deinen Nutzern und Kunden besprechen und genau herausfinden, was Qualität ist.
In den meisten Fällen führt die Antwort nicht gleich zu etwas Messbarem. Aber es ist die Ausgangslage, um Dir darüber dann Gedanken zu machen.

Sowohl mit der Definition und Beschreibung von Services als auch der sinnvollen Definition von SLAs beschäftigen wir uns intensiv im IT-Servicekatalog-Bootcamp.

Beispiel für SLA

Ein Beispiel für sinnvolle Werte. Ich nehme wieder mein Service-Desk-Service. Was ist aus Sicht der Anrufenden die Qualität des Service?

Folgende Parameter sind möglicherweise relevant:

  • Wartezeit bis mit einem Agenten gesprochen wird
  • Freundlichkeit und Empathie des Agenten
  • Anzahl der Anrufenden, die vor Erreichen des Agenten auflegen
  • Umgang mit den Auflegern

Die vier Beispiele reichen zunächst. Du siehst, es sind direkt messbare Werte, wie beispielsweise die Wartezeit dabei. Die liegt bei uns aktuell im Median bei 8 Sekunden. Weit unter dem, was unsere Kunden von uns erwarten.

Dann gibt es Punkte, die lassen sich nicht direkt messen – haben aber ganz viel mit Qualität zu tun. Empathie und Freundlichkeit. Diese messbar zu gestalten, ist nicht leicht. Dennoch sind diese Qualitätskriterien häufig die wirklich wichtigen.

Wie komme ich zu einem SLA?

Kommen wir zur Annäherung: Deine Fachbereiche haben eine Erwartungshaltung. Beispielsweise, dass 95 % aller Anrufe beim Service-Desk angenommen werden.  Mit der Dir zur Verfügung stehenden Mannschaft und Budget erreichst Du im besten Fall nur 80 % und das bei einer Wartezeit von bis zu 4 Minuten.

Der erste Schritt ist die Offenlegung dieser Fakten. Der Zweite ist die Frage, welche Möglichkeiten gibt es, um die Erwartungshaltung zu erfüllen und was bedeutet das fürs Unternehmen. Letzteres meist natürlich in Geld. In diesem Fall vielleicht auch durch Veränderung von Aufgabengebieten bei bestehenden Mitarbeitern, was natürlich zulasten anderer Aufgaben geht.

Genau das meine ich mit Annähern. Wir schauen, wie wir aus einer Unternehmenssicht zu einer sinnvollen Lösung kommen. Die Unternehmenssicht ist das, was zählt. Wir sitzen alle im gleichen Boot. Das dürfen wir dabei nie vergessen!

Das Ergebnis ist, dass alles Seiten wissen, was erwartet und geleistet wird. Viel besser: Alle Seiten haben sich darauf wirklich vereinbart, weil sie es gemeinsam erarbeitet haben. Dann können wir damit arbeiten, um diese Vereinbarung auch initial erfüllen zu können. Das wird wahrscheinlich ein paar Tage dauern.

Eva, wenn Du diesen Weg gehst und die gesagten Punkte berücksichtigst, dann kommst Du zu einem internen SLA, der Deinem Unternehmen wirklich nutzt.

Wenn Du, liebe Leserin oder lieber Leser ein Thema oder eine Frage für den Blog hast, dann brauchst Du nicht bis zum nächsten Webinar warten – schreib mir an robert@different-thinking.de.

Robert Sieber
 

Robert Sieber ist Ex-CIO, Podcaster und Servicenerd. Seine Vision ist eine interne IT, die sich genauso einfach buchen, nutzen und bezahlen lässt, wie die Fahrt mit dem Taxi. Als Berater und Coach packt er ganz praktisch und pragmatisch bei seinen Kunden an, um echte Serviceorientierung zu dauerhaft zu etablieren. Robert Sieber vertritt einen pragmatischen und geschäftsfokussierten Weg für Service-Management. Als Berater sind für ihn gesunder Menschenverstand und offene Kommunikation wichtiger als Frameworks und Best Practices.

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