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Wir machen SAP – keine Services

Müsste ich eine Hitliste der größten Widerstände bei der Etablierung von Serviceorientierung in IT-Abteilungen aufstellen, dann würde auf dem ersten Platz das mittlere Management stehen. Danach gleich auf dem zweiten Platz die Applikationsabteilungen der IT. SAP ist dabei nur ein Beispiel für eine solche Applikation. Allerdings ist dort der Widerstand besonders stark ausgeprägt. Ich kann Dir nicht genau sagen warum. Ich zeige Dir heute, wie ich mit den drei häufigsten Widerständen umgehe.


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In den letzten Wochen habe ich mit verschiedenen Kunden am Wandel zur serviceorientierten Organisation gearbeitet. Basis dafür ist der Aufbau eines sinnvollen Servicekatalogs. Dementsprechend ist das eine der ersten Aktivitäten, die ich gemeinsam mit meinen Kunden starte.

Dabei treffe ich immer wieder auf ein Phänomen. In den letzten Wochen habe ich dieses Phänomen wohl öfter gesehen, so dass ich heute darüber mit Dir sprechen möchte.

Das Phänomen

Das Phänomen manifestiert sich in Sätzen wie „Wir bieten doch gar keine Services an.“ oder „Den einzigen Service, den wir anbieten, ist die Störungsbearbeitung.“ oder „Wir machen nur Projekte.“

Absender dieser Sätze sind in 95% der Fälle Abteilungen oder Menschen im Unternehmen, die sich mit der Bereitstellung von ERP, CRM oder anderen businesskritischen Applikationen beschäftigen. Ganz besonders ausgeprägt ist das in Unternehmen, die SAP im Einsatz haben.

Ja und dann stehe ich da und überlegen, wie ich den Menschen nahebringen kann, dass sie sehr wohl Services anbieten. Dabei frage ich mich, was ist der Grund für diese Ansicht. Wenn ich das herausgefunden habe, dann kann ich darauf ganz konkret eingehen.

Schaue ich mir die Situationen der Vergangenheit an, dann sehe ich wiederkehrende Muster, die ich Dir jetzt darlegen möchte:

Service, Support, oder was?

Vielfach wird das Wort Service mit dem Wort Support gleichgesetzt. Dazu kommt dann noch die Ansicht, dass nur der Service-Desk auch wirklich diesen Service erbringt – steckt auch im Namen drin.
Das ist eine verbreitete Sichtweise und tritt häufig in Kombination mit der Annahme, dass das Beseitigen von Störungen ein Service sei, auf.

Das lässt sich in der Regel gerade ziehen, indem ich den Menschen klarmache, dass Störung beseitigen zu jedem Service dazu gehört. Jeder Service wird gestört sein und dazu brauche ich den entsprechenden Prozess. Der Service wiederum ist die Erfüllung eines bestimmten Kundenbedürfnisses. Dieses herauszuarbeiten ist dann der nächste Schritt, um klarzumachen, was die Serviceleistung ist.

Das für mich Spannende ist, dass wir bei den Applikationen ja am Herzstück der Unternehmens-IT sind. Ohne die, brauchen wir den Rest der IT ja eigentlich gar nicht. Hier haben wir unsere richtig echten Business-Services.

Silo-Denken

Wenn es der Punkt nicht ist, dann haben wir als nächsten Fall, dass sich die Menschen auf ihre einzelne Applikation konzentrieren. Dies wird häufig noch dadurch gefördert, dass die IT-Abteilung entsprechend strukturiert ist. Es gibt eine Abteilung für Webapplikationen, mehrere für SAP, eine für das ERP, eine für das CRM und eine für das KIS. Die Aufzählung lässt sich beliebig fortsetzen.

Jetzt sind wir an dem Punkt, dass ich dann immer sage, dass die Applikation alleine überhaupt keinen Nutzen für das Unternehmen hat. In der Regel benötigt es immer mehrere Applikationen, um das konkrete Kundenbedürfnis zu erfüllen. Um einen wirklichen Nutzen für das Unternehmen zu erbringen.

Beispielsweise so ein Ein- oder Auslagerungsvorgang  in einem Lager oder der Versand einer Ware funktioniert nur, wenn die entsprechenden SAP-Module laufen, die Pick-by-Lights-Lämpchen korrekt angesteuert werden, die Handscanner und Mobisys laufen und natürlich der Etikettendrucker läuft. Dazu dann beim Versand noch die Anbindung an DHL.

Genau dieses Zusammenspiel ist der Service, den die IT dem Unternehmen anbietet. Mit natürlich allem, was jenseits des reinen Betriebs und dem Funktionieren des Service, dazu gehört.

Ich sage Dir nicht, dass es einfach ist, hier genau die richtigen Services zu definieren und zu beschreiben. Da die richtigen Services zu identifizieren, ist aus meiner Sicht entscheidend für die Zukunft der IT in Deinem Unternehmen.

Genau hier entspinnt sich nämlich der unfaire Vorteil, den eine interne IT gegenüber externen Providern hat. Wir beherrschen das individuelle Zusammenspiel der Komponenten und Prozesse in unserem Unternehmen. Das kann kein externer Provider bieten. Die beherrschen die einzelne Insel – nicht das gesamte Ökosystem.
Genau deswegen ist es entscheidend, dass Du die richtigen Services am Start hast.

Alles ist ein Projekt

Bleibt noch „Wir machen nur Projekte.“ Das ist die traditionelle, veraltete Sicht auf die IT. Die IT als Manufaktur, bei der alles immer neu ist und deswegen als Projekt behandelt werden muss.

Diesem Bild stelle ich mich ganz konsequent entgegen! IT ist Massenproduktion. Genau wie das Herstellen von Autos. Wir stellen eben keine Autos her, sondern wir stellen Services her und sorgen dafür, dass die Menschen im Unternehmen diese nutzen können.

Dementsprechend dürfen wir auch industrielle Maßstäbe an unsere Produktionsprozesse ansetzen. Das bedeutet, dass wir standardisieren und automatisieren. Die dafür notwendige Grundlage legen wir mit der Definition der Services. Weil wir festlegen, was Teil des Service ist und was nicht. Dementsprechend können wir dann die immer wiederkehrenden Tätigkeiten des Service identifizieren, diese standardisieren und in vielen Fällen auch automatisieren.

Ich hatte erst gestern die Diskussion, ob das Ausrollen des elektronischen Rechnungseingangs bei einer Tochtergesellschaft ein Projekt ist oder nicht. Was meinst Du? Projekt, oder nicht?

Das zur Verfügung stellen eines bestehenden Service ist kein Projekt. Selbst dann nicht, wenn es gilt, einige Parameter individuell zu setzen oder abweichende Konfigurationen vorzunehmen. Dieser Ablauf lässt sich standardisieren und rechtfertigt nicht den Overhead eines Projektes.

Und so ist das mit ganz vielen Tätigkeiten, die rund um die ganzen Applikationen stattfinden. Es sind keine Projekte, auch keine kleinen, sondern Service-Requests.

Dieser und der davor genannte Punkt sind häufig der Schlüssel dazu, die Kollegen mit den Applikationen von der Service-Idee zu begeistern. Spätestens dann, wenn wir die ersten Services definiert sowie umgesetzt haben und sie erleben, dass es viele Vorteile bringt.

Und bei Dir?

Was erlebst Du bei Dir im Unternehmen für Widerstände, wenn es um die Etablierung von Services und Serviceorientierung geht? Nutze gern die Kommentarfunktion im Blog und lass uns darüber reden!

Robert Sieber
 

Robert Sieber ist Ex-CIO, Podcaster und Servicenerd. Seine Vision ist eine interne IT, die sich genauso einfach buchen, nutzen und bezahlen lässt, wie die Fahrt mit dem Taxi. Als Berater und Coach packt er ganz praktisch und pragmatisch bei seinen Kunden an, um echte Serviceorientierung zu dauerhaft zu etablieren. Robert Sieber vertritt einen pragmatischen und geschäftsfokussierten Weg für Service-Management. Als Berater sind für ihn gesunder Menschenverstand und offene Kommunikation wichtiger als Frameworks und Best Practices.

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