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Die Lücke schließen – Servicekatalog und SLAs in der Sprache der Nutzer

Der Vorteil von Cloud-Service-Anbietern gegenüber internen IT-Organisationen ist ein klar definiertes Angebot zu transparenten Preisen. Damit weiß der Kunde was ihn in welcher Qualität erwartet. Für die interne IT bedeutet dies, dass es notwendig ist, selbst einen Servicekatalog aufzubauen und diesen ggf. mit SLAs zu unterlegen. Erfahren Sie in diesem Beitrag, wie Servicekatalog und SLA fokussiert auf die Nutzer bzw. Endkunden abgefasst werden. Die IT-Abteilung hat dadurch den Vorteil, dass der Wertbeitrag auf den ersten Blick sichtbar wird. Die Geschäftsprozesse stehen dabei im Mittelpunkt.

Wie sollte ein Service beschrieben sein?

Die Software-as-a-Service (SaaS) Anwendung Salesforce hat ein übersichtliches und vor allem klar definiertes Angebot. Interessenten und Kunden wissen genau, welche Leistungen Sie erhalten. Selbst der Preis ist für jeden transparent. Zusätzlich kann die Leistung 30 Tage ohne Verpflichtungen getestet und ausprobiert werden. Damit kann das Unternehmen feststellen, ob das Produkt zu den Prozessen und Tools im Vertrieb oder im Service passt. Genau diese Punkte und die Tatsache, dass der Service direkt via Internet nutzbar ist, machen SaaS Angebote für Fachabteilungen so attraktiv. Eine exakt auf den Bedarf zugeschnittene Bestellung derjenigen Lösung, die gerade benötigt wird, verbunden mit der fast zeitgleichen Nutzung des Services.

Cloud-Anbieter im Bereich der Infrastruktur gehen den gleichen Weg: Aufstellen eines Servicekatalogs mit SLAs und Preisen und Übergabe in die Delivery zeitnah zur Bestellung. Ein Blick auf Amazon AWS zeigt allerdings, dass es in diesem Bereich vor allem mit den transparenten Preisen schwierig ist. Kunden müssen viele Informationen über das Laufzeitverhalten Ihrer Instanzen besitzen, um erahnen zu können, was es monatlich kostet. Aber auch hier gilt: der Service steht nach kurzer oder gar keiner Wartezeit zur Verfügung.

Wie bildet sich eine Schatten-IT?

Durch diese Transparenz, einfache Bestellwege und vermeintlich minimalen Integrationsaufwand ist ein wunderbarer Ausgangspunkt für eine Schatten-IT gegeben – Fachbereiche beschaffen SaaS Angebote an der internen IT vorbei. Während früher eigene Komponenten (Server, Storage und Software) beschafft und dies mit dem eigenen Budget in Einklang gebracht werden musste, Bekommen Fachabteilungen heute die Leistungen auf Basis monatlicher, kurzfristig kündbarer Bestellungen / Zahlungen.

Aus verschiedenen Gedanken eine Servicewelt zu erstellen, ist die Aufgabe der IT

Aus verschiedenen Gedanken eine Servicewelt zu erstellen, ist die Aufgabe der IT

Was veranlasst die Fachbereiche, eigene IT-Umgebungen aufbauen und betreiben zu lassen? Auf der einen Seite sind es die transparenten Angebote und die Flexibilität der externen Anbieter, die es ermöglichen sehr schnell auf die wechselnden Anforderungen zu regieren. Auf der anderen Seite ist es die folgende Sicht auf die unternehmensinterne IT:

  • IT-Abteilung stellt Technologien zur Verfügung, aber keine Lösungen
  • IT zeigt wenig Verständnis für die Abläufe im Unternehmen, Sicherheit geht vor
  • von der Anfrage einer Lösung bis zur Realisierung vergeht sehr viel Zeit
  • hohe Kosten der IT mit nicht transparenter Verrechnung

Kommt noch das Thema Benchmarking von IT- Kosten oder -Leistungen am externen Markt dazu, wird schnell über ein Outsourcing von Teilen oder der gesamten IT nachgedacht. Die Erfahrung zeigt, dass solche Vorhaben das Thema Schatten-IT weiter beflügeln.
Was muss sich ändern, damit die Unternehmens-IT wieder der erste Ansprechpartner für die Fachabteilungen wird? Im Wesentlichen sind es drei Aspekte, die ausgeprägt werden müssen:

  • ein klar definierter Servicekatalog mit transparenter Preisgestaltung
  • eine Ausrichtung des IT-Managements auf die Prozesse und Wertschöpfung des Unternehmens
  • die Etablierung einer Sourcingstrategie von internen und externen Leistungen

Welten verbinden

Die Herausforderung liegt vor allem darin, dass Fachabteilung und IT in verschiedenen Gedankenwelten verhaftet sind. Es ist oft nicht einfach, die andere Seite zu verstehen. Dadurch entstehen unnötige Reibungspunkte innerhalb des Unternehmens.

Die Aufgabe besteht darin, die angebotenen IT-Dienstleistungen auf die Prozesswelt des Unternehmens zu zuschneiden. Dienste sind so zu gestalten, zu benennen und zu beschreiben, dass die Mitarbeiter aus den Fachabteilungen eine Verbindung zu Ihrer
Arbeit herstellen können. Aufgaben der IT sind hierbei unter anderem:

  • den Nutzen sofort erkennen – verstehen was sich dahinter verbirgt, und
  • Dienste so zu entwickeln, dass sie einen Wert für die Fachabteilungen haben oder bestehende Einschränkungen beseitigt

Damit hat die interne IT einen entscheidenden Vorteil gegenüber allen externen Anbietern. Niemand hat so viel Wissen über die Prozesse und Wertschöpfung im eigenen Unternehmen. Dieses Wissen gilt es aufzubauen, zu pflegen und zu nutzen. Der kritische Erfolgsfaktor für einen Servicekatalog ist die Abbildung der realen Abläufe im Unternehmen. Niemand kann einen geschäftlichen Nutzen aus einem rein technischen Servicekatalog mit darin enthaltenen, bestellbaren Diensten wie „Microsoft Exchange“ oder „Internetzugang“. Es muss ein Business-Service-Katalog sein. Die Fachabteilungen möchten „Rechnungen drucken“, „Angebote erstellen“ oder „Waren ausliefern“.

Modellierung eines Service, ausgehend von den Prozesse des Unternehmens

Modellierung eines Service, ausgehend von den Prozesse des Unternehmens

Genau in dieser Sprache, der Sprache der Endanwender, sollte der Servicekatalog abgefasst sein. Um den Nutzen zu verdeutlichen ein ganz simples Beispiel:

Die normale Kommunikation sieht häufig so aus: „Nächste Woche ist der Druckserver dd-print-01 nicht verfügbar“. Klare technische Ansage – der Nutzer versteht aber nicht, was das mit seiner Tätigkeit zu tun hat. Tickets, Eskalation und Unzufriedenheit auf allen Seiten sind die Folge. „Rechnungsdruck ist in der letzten Augustwoche wegen Wartungsarbeiten nicht
möglich“ hätte die Fachabteilung verstanden. Auf diese Art lässt sich die Lücke zwischen der Fachabteilung und der Technologie schließen. Dieses geschäftsfokussiertes IT-Management muss sich durch alle Bereiche der Serviceerbringung ziehen. Der Service-
Konsument und die Unternehmensprozesse sind die absolut kritischen Erfolgsfaktoren jeglicher Serviceerbringung. Deswegen muss er unbedingt in den Fokus aller Überlegungen und Maßnahmen gestellt werden. Damit kann die IT zum Teil der Wertschöpfungskette werden.

Vorschlag einer Vorgehensweise für den Servicekatalog

Der erste Schritt ist es, die Prozesswelt des Service-Konsumenten zu verstehen. Womit schafft die Fachabteilung einen Wert für das Unternehmen? Welche Arbeitsabläufe sind kritisch? Es ist ein wichtiger Schritt, die Prozesse, Arbeitsschritte und Sprache der Fachabteilungen zu verstehen.  Damit wird die Grundlage für eine reibungslose Kommunikation zwischen den IT-Experten und den Anwendern gelegt. Es könnte an dieser Stelle der Gedanke aufkommen, dass vorhandene Dienste einfach nach den Begriffen der Fachabteilung benannt werden müssen, um die Situation zu verbessern. Dies ist allerdings ein Trugschluss. Der reine Namenswechsel ist wirkungslos und hat keinerlei Erfolgsaussichten. Einen wirklichen Nutzen hat weder die Fachabteilung noch die IT. Alten Wein in neuen Schläuchen kann niemand gebrauchen.

Den eingeschlagenen Weg bis zum Ende zu gehen, das ist essentiell für den Projekterfolg. Allein das Wissen um Prozesse, Arbeitsschritte und Fachbegriffe des Unternehmens bringt die IT nicht entscheidend weiter. Im zweiten Schritt muss eine Verbindung zwischen den Geschäftsprozessen und den IT-Komponenten hergestellt werden.
Die Gedankenwelten müssen verbunden werden. Was wird benötigt, damit das Drucken von Rechnungen funktioniert? Die IT wird in die Lage versetzt, u. a. folgende Fragen zu beantworten:

  • Welche Komponenten sind betroffen?
  • Welche Auswirkungen hat ein Ausfall?
  • Was ist die Ursache eines Ausfalls?
  • Wen muss ich informieren?

Allerdings erweist sich dieser Schritt im ersten Ansatz als sehr komplex. Die Lücke zwischen Prozess und IT-Service ist einfach zu groß. Eine weitere Zerlegung der Prozesse in sinnvolle Arbeitsschritte / Teilprozesse ist notwendig. Verzichtet man darauf, wird schnell die Situation eintreten, dass ein Prozess von der gesamten IT abhängig ist – damit ist niemandem geholfen!
Die Aufspaltung in Teilprozesse, oder sogar Arbeitsschritte ist notwendig, um sinnvolle Aussagen über die IT-Unterstützung eines Prozesses zu bekommen. Ein Rezept gibt es dafür nicht. Es wird sich innerhalb dieses Schrittes schnell herausstellen, ob die Detailtiefe ausreichend ist oder nicht. Bei sehr starker Zerlegung entstehen viele Teilprozesse oder Arbeitsschritte, die mit der IT verbunden werden wollen. In dieser Situation ist es sinnvoll zu priorisieren und zu gruppieren. Dann können die einzelnen Gruppen schrittweise bearbeitet werden. Die Zerlegung der Prozesse verringert die Lücke zur IT. Eine sinnvolle Zuordnung ist allerdings immer noch nicht möglich. Es fehlt ein entsprechendes Bindeglied.
Nun müssen die sogenannten Business-Services abgeleitet werden. Dabei handelt es sich um ein virtuelles Objekt, welches sowohl für die IT als auch für die Fachabteilung einen Wert hat: geschäftsfokussierte IT-Dienste.

Service Level und Abrechnung

Die definierten Business Services bilden die Grundlage für den Servicekatalog und das IT-Management. Es ist wichtig, der Methodik stringent zu folgen und auch SLAs und die interne Leistungsverrechnung auf diese Basis zu stellen.
Der SLA muss für das Geschäft relevante Messpunkte enthalten. Diese zu definieren ist in den meisten Fällen nicht einfach, wenn es über Verfügbarkeit und Wiederherstellungszeit hinausgehen soll. Am Beispiel eines Webshops lässt sich das sehr gut verdeutlichen,  was geschäftsfokussierte Kriterien sind: die reale Dauer eines Einkaufs, also: Produkt suchen, Detailseite anschauen, in den Warenkorb legen und Bestellung abschließen, hat hohe Auswirkung auf die Abbruchrate. Je länger es dauert, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde bei einem anderen Anbieter bestellt. Damit hat dieser Messwert Relevanz für die Fachabteilung und sollte ermittelt und berichtet werden. Es gilt der Grundsatz, dass Messwerte so nah wie möglich am Endnutzer oder Kunden erhoben werden sollten, um eine sinnvolle Aussage zu haben. Diese müssen dann mit detaillierten Messwerten auf technischer Basis ergänzt werden – das ist Sache der IT und interessiert die Fachabteilung nicht.

Gleiches gilt für die Abrechnung des Services. Eine pauschale Umlage oder eine Verrechnung verbrauchter CPU-Zeit und Arbeitsspeicher wird auf wenig Verständnis bei der Fachabteilung treffen. Es gilt intelligente, Geschäftsprozessnahe Abrechnungsmodelle zu entwickeln: pro gedruckter Rechnung, pro Buchungssatz oder pro abgefertigtem LKW.

Fazit

Eine Unternehmens-IT hat gegenüber externen Anbietern viele Vorteile. Der Schlüssel zum Erfolg ist ein Servicekatalog auf Basis des geschäftsfokussierten IT-Managements. Er schließt die Lücke zwischen Fachabteilung und IT. Ob die Leistungen intern oder extern erbracht werden, ist Sache der intelligenten Sourcingstrategie und Thema für einen eigenen Beitrag.

Hinweis:

Diesen Artikel habe ich ursprünglich für das itSMF Magazin geschrieben. Er ist in Heft 25 erschienen. Vielen Dank an den itSMF e.V. für die freundliche Genehmigung, den Beitrag auf meinem Blog zu veröffentlichen.

Bildquellen/Copyright:

Robert Sieber
 

Robert Sieber ist Ex-CIO, Podcaster und Servicenerd. Seine Vision ist eine interne IT, die sich genauso einfach buchen, nutzen und bezahlen lässt, wie die Fahrt mit dem Taxi. Als Berater und Coach packt er ganz praktisch und pragmatisch bei seinen Kunden an, um echte Serviceorientierung zu dauerhaft zu etablieren. Robert Sieber vertritt einen pragmatischen und geschäftsfokussierten Weg für Service-Management. Als Berater sind für ihn gesunder Menschenverstand und offene Kommunikation wichtiger als Frameworks und Best Practices.

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